Grossformat:Die Schale

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Die wichtigste deutsche Fußball-Trophäe stammt von einer Frau: Die Goldschmiedin Elisabeth Treskow entwarf im Jahr 1949 mit Studenten der Kölner Werkschule für die Bundesliga die Meisterschale.

Von Willi Winkler

Fußball ist Männersache und nichts ohne ganz viel Blut, Schweiß und Torjubel. Frauen dürfen mitjubeln, oh ja, aber in die Kabine dürfen sie nur, wenn sie Bundeskanzler sind. Auf dem Platz ist der Ball rund, die Schale auch, und am Ende landet sie bei den Bayern. Als Plastik-Meme wird sie schon lang vor dem Saisonende hochgereckt, und wenn es knapp wird und womöglich noch bis zum letzten Spieltag der Bundesliga nicht völlig klar ist, wer Deutscher Meister wird, liegen vorsichtshalber Kopien für die Siegerehrung bereit. Die echte Schale aber ist einmalig und wartet beim Vorjahressieger auf den nächsten Kapitän, der sie, noch triefend vom Schweiß der Meisterschaft, dem jubelnden Stadion entgegen reckt.

Diese Schale, die wichtigste deutsche Fußballtrophäe stammt von einer Frau, von Elisabeth Treskow. Im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat sie die Schale 1949 mit ihren Studenten in den Kölner Werkschulen gefertigt, das Ruhrmuseum in Essen stellt demnächst ihre Arbeit mit der Ausstellung "Aufbruch im Westen" vor. Die 1898 geborene Treskow war eine der ersten Goldschmiedinnen in Deutschland. Sie lernte an der Folkwangschule in Essen, studierte in Schwäbisch Gmünd und München und richtete sich 1923 in der Essener Künstlersiedlung Margarethenhöhe ein Atelier ein. Aus Interesse an der Antike begann sie die Etrusker zu studieren und entdeckte deren Granulationstechnik neu. Dem rheinischen Bürgertum und seinem Klerus verdankte sie ihre wichtigsten Aufträge, stattete Bürgermeister mit Amtsketten aus und Bischöfe mit Pektoralen. So kam sie durch die NS-Zeit, ohne Ehrendolche für Goldfasane der NSDAP und Ritterkreuze für Feldmarschälle schmieden zu müssen. Ihr erster großer Nachkriegsauftrag bestand darin, den Dreikönigsschrein im Kölner Dom zu restaurieren. Doch weit wichtiger wurde die Meisterschale, die oft respektlos als "Salatschüssel" bezeichnete irdische Himmelsscheibe, die Treskow als Ersatz für die verschollene Victoria fertigte. Dafür wurden fünfeinhalb Kilo Silber verwendet und fünf große und elf kleine Turmaline gefasst. Anfang der Achtzigerjahre musste die Schale erweitert werden, um allen Vereinen Platz zu bieten. In mittlerweile drei Ringen sind alle Sieger seit 1903 eingetragen. Der Platz soll bis 2026 reichen. Mit ihrem Arbeitsethos stand Elisabeth Treskow den Männern in kurzen Hosen auf dem Spielfeld gar nicht so fern. "Meine Versuche, zu warten bis die Musen mich küssten, sind immer fehlgeschlagen. Ich glaube, sie küssen lieber die, denen der Schweiß heißen Bemühens die Stirn feuchtet, als jene, die ihre Ankunft untätig schwärmend erwarten." Erster Sieger, erster Empfänger der neu geschaffenen Meisterschale wurde 1949 der VfR Mannheim. Am 18. Mai 2019 ist der letzte Spieltag der Fußballbundesliga, es wird also Manuel Neuer, allerdings ohne viel zu schwitzen, die Schale von Elisabeth Treskow hochhalten. Der Jubel in der Allianz-Arena muss auch ihr gelten.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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