"Green Room" im Kino:Man mag diese Menschen. Man will nicht, dass sie sterben

Lesezeit: 2 min

Beschränkung an Raum und Material: Der Zuschauer nimmt an "Green Room" mehr Anteil als an pompöseren Filmen. (Foto: Universum)

Im Horrorthriller "Green Room" gerät eine Rockband in die Fänge skrupelloser Nazi-Skinheads.

Filmkritik von Doris Kuhn

Eine kleine Hardcore-Band ist mit ihrem Bus auf Konzerttour - ein Mädchen, drei Jungs, angenehm wortkarg im Umgang. Ideologisch sind sie mit linksalternativen Klischees ausgestattet. Außerdem mögen sie Vinyl, klauen Benzin und lehnen die sozialen Medien ab.

Wenn es darum geht, welche Band sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden, fallen erst Namen von Punk- und Metal-Gruppen, dann aber, als ein paar Stunden später die Not groß wird, sind es plötzlich Prince oder Simon & Garfunkel - die Gefahr wird sie sentimental machen.

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Das Versprechen von 350 Dollar Gage hat sie in einen einsamen Wald gelockt, in ein Vereinsheim von Nazi-Skinheads. Vor dem Auftritt wirkt die Stimmung der Zuhörer feindselig, aber die Band hält stand: keine Feigheit, laute Musik.

Man kann dann sehen, wie die Laune beim Publikum steigt: das fröhliche Geschubse aus Stiefeln, Bierdosen, Bomberjacken. Dann plötzlich explodiert das Geschehen: Die Bandmitglieder sehen einen Mord, der Clubbesitzer will keine Zeugen, sie verbarrikadieren sich im Hinterzimmer. Darin sind sie vorläufig sicher, aber vor der einzigen Tür stehen bewaffnete Skinheads. Keiner kommt hier lebend raus, schreien sie.

Trotzdem ist der erste Tote ein Nazi, der einem Teppichmesser zum Opfer fällt. Der Film ist bei seinen Anleihen aus dem Genre des Splatterfilms nicht im Geringsten zimperlich - das sollte man vielleicht vor der Ansicht wissen.

Der Raum hat nur die eine Tür

Jeremy Saulnier ist ein junger Regisseur. Er hat bei diversen unkonventionellen Indie-Produktionen mitgearbeitet und sich für seine eigenen Filme die besten Vorbilder ausgesucht.

Die Band Ain't Rights wird gleich ein großes Problem bekommen. (Foto: N/A)

In "Green Room" kann man zum Beispiel John Carpenter wiederfinden. Wie in dessen "Anschlag bei Nacht" zeigt Saulnier die Verteidigung eines begrenzten, von der Umwelt abgeschnittenen Raums. Dabei dienen die Nazi-Skins nicht einem gesellschaftspolitischen Kommentar, sondern sind innerhalb des Milieus eben diejenigen, die als skrupellose Gegner am besten einleuchten.

Auch welche Dynamik sich bei Menschen im Ausnahmezustand entwickelt, hat er bei Carpenter genau studiert.

Man mag diese Menschen

Im Hinterzimmer ist auch ein Feind mit eingesperrt: Ein übrig gebliebenes Skin-Mädchen, das erst klarstellen muss, dass es für die Skinheads draußen genauso als ungewollte Zeugin gilt.

Die Dialoge werden aufbrausend, die Musiker zickig, bis das Mädchen beweist, dass es im Handeln besser ist als die anderen im Reden. Imogen Poots spielt diese Außenseiterin, die sich auch unter extremem Druck ihren Humor bewahrt.

Dabei verrät Saulnier nie seine Grundidee: Es gibt keinen Ausweg, der Raum hat nur die eine Tür. Aber er zeigt, wie harmlose Musiker improvisieren können, mit Neonröhre, Mikro, Feuerlöscher.

Eine solche Beschränkung in Raum und Material ist nicht populär im gegenwärtigen Actionkino, da geht selten jemand mit fast leeren Händen in einen Furcht einflößenden Kampf. Aber genau deswegen nimmt man an "Green Room" mehr Anteil als an pompöseren Filmen. Man mag diese Menschen. Man will nicht, dass sie sterben. Und wenn sie es doch tun, dann will man zum Trost ihre Einsame-Insel-Band hören.

Green Room , USA 2016 - Regie, Buch: Jeremy Saulnier. Kamera: Sean Porter. Mit: Imogen Poots, Anton Yelchin. 95 Minuten. Universum Film.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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