Glonn:Groove der Heimat

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Experimental-Ethno: Die Hackbrettspielerin Barbara Schirmer und der Jodler Christian Zehnder sind gleichermaßen archaisch und witzig. (Foto: Nils Fisch)

Ein jazziges "Alpenspektakel" auf Gut Sonnenhausen

Von Oliver Hochkeppel, Glonn

Kultur stand bei den Grün-Alternativen lange nicht besonders weit oben auf der Agenda. Heute hingegen gibt es regelrechte Bio-Mäzene. So hat Georg Schweisfurth, einer der kultursinnigen Söhne des Bio-Konvertiten und Hermannsdorfer-Gründers Karl Ludwig Schweisfurth, aus dem prächtigen Gut Sonnenhausen nahe Glonn ein außergewöhnliches Tagungshotel und Refugium gemacht, in dem neben der Kulinarik mittlerweile auch die Kultur und insbesondere die Musik eine wichtige Rolle spielen. Machte er doch die Sängerin Stephanie Boltz ( Le Bang Bang) zur künstlerischen Leiterin einer mittlerweile in die dritte Saison gehenden, ambitionierten Konzert-Reihe. Jetzt hat Boltz sogar erstmals ein kleines Festival zusammengestellt: Das "Alpenspektakel" von 30. September bis 2. Oktober.

Die im Pop und Rock gerade rollende "Heimatsound"-Welle ist im Jazz ja ein alter Hut. Die vor 20 Jahren einsetzende Besinnung auf eigene oder fremde Volksmusiken hat hier früh zu einer neuen Sicht auf die alpenländische Musik geführt und sich auch in Alpenjazz-Festivals (etwa beim European Jazztival auf Schloss Elmau oder bei Jazz am See in Feldafing) niedergeschlagen. Die Bandbreite ist dabei immer größer geworden, und so kann man sich nur dem anschließen, was Boltz gewissermaßen als Motto der Veranstaltung voranschickt: "Als bekennende Voralpen-Heidi bewundere ich den kreativen und unverkrampften Umgang der eingeladenen Alpen-Künstler mit ihrer Herkunft: Zu wissen, wo man herkommt, und genau das in andere Welten führen - das ist inspirierend, das ist zeitgemäß."

Was mustergültig für die Unterbiberger Hofmusik gilt, die den Reigen am Freitagabend in der Reithalle eröffnen darf. Die Musikerfamilie Himpsl hat ihre Stubnmusi vor 25 Jahren unter dem Eindruck der Begegnung mit Jazzgrößen wie Bobby Shew, Hal Ashby und vor allem Claudio Roditi zunächst jazzigen, funkigen und brasilianischen Elementen geöffnet. Vor ein paar Jahren wurde der Flirt mit türkischer und armenischer Musik zu einer tiefen Beziehung, und zuletzt hat man in der Zusammenarbeit mit syrischen, kurdischen und arabischen Musikern sein Spektrum erweitert. Auf Sonnenhausen reisen die Himpsls von einer Indien-Konzertreise an, werden also bestimmt auch musikalische Eindrücke von dort im Gepäck haben.

Als Gast wird wieder mal Matthias Schriefl einsteigen, der Allgäuer Blechblas-Anarchist und einer der größten Musikanten des Jazz. Im Trio mit der Sängerin Tamara Lukasheva und dem Vorarlberger Blech- wie Beatbox-Groovemaster (unter anderem bei HMBC und David Helbocks Random/Control) Johannes Bär läutet Schriefl dann den Samstag mit zwei Open-Air-Auftritten auf dem Heuwagen virtuos, ausufernd bunt, witzig und innovativ ein. Viel Humor steckt auch im zwischen alpiner Archaik und urbanen Sounds schwebenden Experimental-Ethno, den die Schweizer Barbara Schirmer am Hackbrett und der phänomenale Obertonsänger und Jodler Christian Zehnder zelebrieren. Bei Wiener Repräsentanten der Neuen Volksmusik ist Ironie und Witz sowieso Programm. Wiener Schmäh mit instrumentaler Meisterschaft vereint hier das Damen-lastige Quintett Alma. An Virtuosität stehen die vier deutschen Kollegen von Zwonnerstag nicht nach, die den Samstag nicht ohne Grund im "Kochstall" beschließen: Trompeter Robert Alonso, Bratscher Andreas Höricht, Gitarrist Bernd Hess und Bassist Karsten Gnettner, normalerweise bei Fei Scho, dem Modern String Quartett, den Sportfreunden Stiller oder dem Hugo Strasser Orchester zugange, haben sich damit den Traum einer Wirtshausmusi erfüllt. Erstmals sind sie hier außerhalb ihrer "Geheimkonzerte" am Ammersee zu erleben. Den Schlusspunkt setzt Sonntagmorgen das schweiz-tirolerische Trio Jütz.

Genauso wichtig wie die Musik ist bei diesem Alpenspektakel aber das Drumherum, insbesondere das Kulinarische. Hausherr Georg Schweisfurth persönlich sorgt mit Küchenchef Reinhard Angerer und Sternekoch Stefan Marquard für ein umfangreiches Begleitprogramm. Feinste Musik zu bestem Essen in traumhaftem Ambiente - das hat man beim "Kellerkind" Jazz nicht oft.

Alpenspektakel, Freitag, 30. September, bis Sonntag, 2. Oktober, Gut Sonnenhausen bei Glonn

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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