Geschichte:Demokratie-Labor

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(Foto: DHM/Thomas Bruns)

Von Verena Mayer

Die Frage, was Demokratie ist, steht oft in der sechsten Klasse auf dem Lehrplan, und so wie sie an vielen deutschen Schulen behandelt wird, löst sie bei Jugendlichen das großes Gähnen aus. Herrschaft des Volkes, Grundgesetz, gesellschaftliche Werte, jaja, alles superwichtig, aber halt auch sehr abstrakt. Das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin nimmt das Thema nun wörtlich und hat im Erdgeschoß einen großen Raum eingerichtet, in dem man genau das tun soll, was eine Demokratie definiert: mitmachen. Das so genannte Demokratie-Labor besteht aus acht Bereichen, in denen es um gesellschaftliches Miteinander geht. Um das Thema Staatszugehörigkeit etwa. Man sieht das Trikot des Fußballers Mesut Özil mit der Nummer Acht, dazu Fotos von Özil, einmal zusammen mit Merkel, einmal mit Erdoğan. Wie viel Loyalität ist verpflichtend, wenn man in der Nationalmannschaft spielt, und was bedeutet es, wenn ein Sportler mit dem Oberhaupt eines Staates posiert, in dem die Autokratie auf dem Vormarsch ist?

Die Ausstellung gibt die Antworten nicht, sie lässt sie aushandeln. Auf Blättern, auf die man seine Meinung schreiben kann, etwa zum Thema Kopftuch. Bei Spielen, die man nur bewältigt, wenn man als Gruppe eine Entscheidung trifft. Am Rednerpult mit den Mikrofonen, an dem man sagen soll, wofür man sich einsetzen oder sogar anketten würde, wie jene Rollstuhlfahrer vor dem Bayerischen Sozialministerium 2016, die für mehr Teilhabe demonstrierten.

Am Ende der Ausstellung, die sich mit Workshops und Führungen besonders an Jugendliche richtet, steht eine Wand, und man wird aufgefordert, die eigene "Haltung zur Demokratie" auf bunten Zetteln festzuhalten. "Ist wichtig und richtig", steht da, "Respekt und Toleranz" oder "Heute wie früher: ausbaufähig". Die Wand ist voll mit Zetteln in vielen Sprachen, kaum ein Besucher, der sich nicht äußert.

Das Demokratie-Labor flankiert die sehenswerte Ausstellung "Weimar: Vom Wesen und Wert der Demokratie", in der das Museum noch bis 22. September die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen der Jahre 1919 bis 1933 zeigt. Und es ist gewissermaßen auch die tröstliche Weiterführung des Themas. Die Weimarer Republik hat nicht überlebt, die Demokratie aber ist, jedenfalls hier, quicklebendig.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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