Gene Hackman zum Achtzigsten:Prophet der Vergeblichkeit

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Auf den ersten Blick erscheint er anstrengungslos und gelassen. Dabei verströmt kaum ein amerikanischer Film-Schauspieler so viel Aura von Verhängnis wie Gene Hackman.

Tobias Kniebe

Seine Machos, Sheriffs, Soldaten und US-Präsidenten - all die überzeugenden Alphatiere, die Gene Hackman so unermüdlich gespielt hat - sie schieben sich gern in den Vordergrund, wenn man diese lange Karriere überschaut.

"Ich weiß, das kommt einem alles sehr unverständlich vor, wenn man sechzehn ist. Wenn man erst mal vierzig ist..." - hier setzt er eine seiner perfekten Killer-Pausen - "ist es auch nicht besser." (Foto: Foto: Verleih)

Aber sie verstellen den Blick auf das Wesentliche. Hackmans wahre Größe zeigt sich in seinen stillen Momenten. In jener Szene von Arthur Penns "Night Moves / Die heiße Spur" etwa, wo er versucht, der blutjungen, völlig verdorbenen und doch ganz unschuldigen, ziemlich verzweifelten Melanie Griffith den Sinn des Lebens zu erklären. "Ich weiß, das kommt einem alles sehr unverständlich vor, wenn man sechzehn ist", sagt er zu ihr, die am Vortag eine Wasserleiche entdeckt hat und gerade schreiend aus einem Albtraum erwacht ist. Aber keine Sorge, wenn man erst mal vierzig ist..." - hier setzt er eine seiner perfekten Killer-Pausen - "ist es auch nicht besser." Und dann grinst er ein Grinsen, für das man ihn ewig lieben muss - so viel Niederlage, so viel Enttäuschung und gleichzeitig Durchhaltewillen, so viel gelebtes Leben stecken darin.

Die Suche nach unauffindbaren Abhörmikrofonen

Gene Hackman, das erkennt man in diesem Moment, ist da schon längst der Zen-Meister und Prophet der großen Vergeblichkeit, perfekt synchronisiert mit jener Aura von Verhängnis, die das weiße amerikanische Mannsbild in den siebziger Jahren befällt und anschließend - all der noch folgenden Kraftmeierei zum Trotz - nie wieder ganz loslassen wird.

Ein Spiegel dieses Gefühls ist auch das Schlussbild in Francis Ford Coppolas "Der Dialog/The Conversation", wo Hackman als Abhörspezialist Harry Paul an all den geflüsterten Zeichen und Hinweisen irre geworden ist, die er entschlüsseln wollte, und sein eigenes Apartment auf der Suche nach unauffindbaren Abhörmikrofonen völlig verwüstet hat. Im Angesicht dieser vollendeten Niederlage, nach der man nicht mehr weiß, wohin sein Weg jetzt noch führen könnte, setzt er sich in die Trümmer und spielt verloren auf seinem Saxophon.

Dazu passt natürlich, das Eugene Allen Hackman, geboren am 30. Januar 1930 in San Bernardino, Kalifornien, aus einer kaputten Familie stammt. Schon mit sechzehn brach er aus, wurde wegen kleinerer Vergehen auch mal verhaftet, landete dann in einem Rekrutierungsbüro der US Marines und gab ein falsches Alter um, um für drei Jahre Soldat zu werden.

Gene Hackman
:Der Mann, der niemals ich sagte

Gene Hackman begann relativ mit der Schauspielerei. Und es schien, dass er wohl zum Misfit der Branche werden könnte. Wurde er dann nicht. Die Bilder.

Die Navy ermöglichte ihm ein Studium in Illinois, wo er sich für Journalismus einschrieb. Er war schon über dreißig, als er sich zum ersten Mal an der Schauspielerei versuchte, zunächst mit größtem Misserfolg - am angesehenen Pasadeno Playhouse in Kalifornien galten er und sein Kumpel Dustin Hoffman als die Loser mit den schlechtesten Noten. Wütend zogen die beiden Misfits nach New York, wo sie ein winziges Apartment in der 2nd Avenue bezogen, in dem dann zeitweilig auch noch Robert Duvall logierte. Brando war das unerreichbare Vorbild, aber eine Zukunft in Armut schien für alle drei eine ausgemachte Sache zu sein. "Wir waren Schauspieler. Wir hatten keine großen Hoffnungen. Im Misserfolg lag eine größere Würde", hat Dustin Hoffman über diese Zeit gesagt.

Bei diesem glorreichen Starrsinn war es dann eben Amerika, das sich ändern musste, um diese drei zu den wichtigsten Schauspielern ihrer Generation zu machen. Hackman ging voran: Bei "Lilith" (1964) lernte er den schon etablierten Schönling Warren Beatty kennen, der bereits Produzentenehrgeiz entwickelt hatte und ein scharfes Auge dazu: Als Beatty drei Jahre später "Bonnie und Clyde" auf die Beine stellte und damit die ganze Ära des New Hollywood lostrat, holte er Hackman, um seinen Bruder zu spielen.

Dieser bekam für die Rolle seine erste Oscar-Nominierung - und vier Jahre später hatte er das Ding dann bereits in der Hand: Für Jimmy "Popeye" Doyle, den rasenden Cop aus William Friedkins "French Connection", der flüchtende Kriminelle schon mal in den Rücken schießt. Hackman wurde erstaunlich populär in dieser Rolle - der Zeitgeist hatte endgültig zu ihm aufgeschlossen.

Man hat ihn nie klagen hören.

So wunderbar enthemmt hätte es weitergehen können, was man zum Beispiel an Jerry Schatzbergs unterschätztem "Scarecrow" sieht - Hackman und Pacino als Drifter, ganz auf der Höhe ihrer Kunst. Der absolute Misserfolg dieses Films, den Hackman häufig als seinen liebsten zitiert, traf ihn schwer, machte ihn zynischer, fokussierte sein Augenmerk mehr auf Gehaltschecks von "Superman"-Dimensionen. So folgt nun unermüdliche Arbeit, manchmal an Meisterwerken, aber häufig auch an Filmen, die heute zu Recht vergessen sind. Die Legende besagt, dass Hackman in dieser Zeit ein paar Hauptrollen absagte, die ihn wohl endgültig zur Nummer eins seiner Generation gemacht hätten, darunter der Part in "Einer flog über das Kuckucksnest", der dann Jack Nicholson zur Unsterblichkeit verhalf. Man hat ihn allerdings nie darüber klagen hören.

Im Gegenteil: Hackman drehte und drehte, er wurde immer professioneller und effizienter, immer sparsamer im Einsatz seiner Mittel. So kamen dann noch ein paar wundervolle Altersrollen seines Weges, humorvoll wie in Wes Andersons "Royal Tenenbaums" oder Barry Sonnenfelds "Get Shorty" oder wahrhaft furchterregend wie der Sheriff in Clint Eastwoods "Unforgiven" - Hackman bekam dafür den zweiten Oscar. "Ich liebe Schauspieler, die nichts mehr zu beweisen haben", hat Eastwood über ihn gesagt - und so muss man sich die beiden wohl bei der Arbeit vorstellen: zwei Männer, zwei Profis, die sich ohne ein Wort verstehen, die am Ende gerade deshalb Größe haben, weil sie auch um die Vergeblichkeit des Ringens um Größe wissen.

So anstrengungslos schien Gene Hackmans Arbeit zuletzt zu sein, so gelassen stand er über den üblichen Schauspielerproblemen - der Frage etwa, ob der gerade zu drehende Film nicht vielleicht doch wieder ein arger Mist werden könnte - dass man das Gefühl haben musste, er werde noch ewig weitermachen. So nahm im Jahr 2004 auch niemand seine Ankündigung ernst, dass er genug habe und sich für immer zurückziehen wolle. Aber es blieb dabei: "Welcome to Mooseport" aus jenem Jahr ist vorerst sein letzter Film geblieben. Seither schreibt Gene Hackman Romane, zusammen mit seinem Nachbarn in New Mexiko, wilde Piratengeschichten und historische Bürgerkriegsdramen. Aber das ist natürlich kein Ersatz. An diesem Samstag, seinem 80. Geburtstag, vermissen wir ihn schon sehr.

© SZ v. 30. / 31.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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