Geburtstag:Der Dezernent

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Hilmar Hoffmann, 1925 in Bremen geboren, war viele Jahre der bekannteste deutsche Kulturpolitiker. Seine Arbeit als Kulturdezernent in Frankfurt am Main ist legendär. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Kultur für alle, Museen für Frankfurt: Hilmar Hoffmann, der die Kulturpolitik der Siebziger prägte, wird neunzig Jahre alt.

Von Jens Bisky

Den "Tauchsieder der Frankfurter Kultur" hat das Stadtmagazin Pflasterstrand den Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann genannt, als er nach zwanzig Jahren das Amt 1990 aufgab: "Wo er sich reinhängt, beginnt es zu brodeln. Wo er sich reinsteckt, kreist der Starkstrom des Geldes." Von diesem starkstrominduzierten Brodeln profitiert Frankfurt am Main bis heute.

Hilmar Hoffmann war ein Gründer, einer, der gern Neues ins Leben rief, 1953 beispielsweise, noch in Oberhausen - als jüngster Direktor einer Volkshochschule - die Westdeutschen Kurzfilmtage; in Frankfurt am Main dann 1971 das erste kommunale Kino, Stadtteilbibliotheken, Museen, Ausstellungshäuser, wozu am Mainufer Patriziervillen umgerüstet oder, wie im Fall des Museums für moderne Kunst, neu gebaut wurden. Mochten auch die Theatermacher für Ärger sorgen, ob nun das städtische Schauspiel, das unter Peter Palitzsch Mitbestimmung erprobte, oder Rainer Werner Fassbinder im Theater am Turm, kulturpolitisch bot Frankfurt der gesamten Bundesrepublik ein Vor- oder Gegenbild. "Kultur für alle" hieß die griffige, Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" nachgebildete Formel, sie war Titel eines Buches, in dem Hoffmann 1979 seine kulturpolitische "Perspektiven und Modelle" erläuterte. Der Titel gehört zum Gemeinbesitz der alten Bundesrepublik. Gewünscht waren lebendige kulturelle Milieus, in denen möglichst viele Menschen Anregungen finden und sich über ihr Leben, ihre Gesellschaft verständigen können sollten. Das war nicht billig. Von 1975 bis 1990 investierte Frankfurt am Main 1,4 Milliarden DM in Kulturbauten, 11 Prozent des städtischen Haushalts gab man für Kultur aus, mehr als jede andere europäische Kommune.

In Eckhard Henscheids Roman "Die Vollidioten" (1973) tritt auch Hilmar Hoffmann auf: "ein älterer, aber äußerst schnittiger Herr", der lachend ankündigt, "hier alles zu revolutionieren". So klang es in den frühen Siebzigern, 1981 konnte der schnittige Revolutionär sich über die Eröffnung der wiederaufgebauten Alten Oper freuen. Der Abschied des Dezernenten fiel zusammen mit dem Epochenjahr 1989/90 und dem - damals gern verleugneten - Ende der alten Republik. Von 1993 bis 2001 war Hoffmann Präsident des Goethe-Instituts, das er hartnäckig gegen Mittelkürzungen verteidigte. 2011 schied er aus allen Ämtern, er wolle nur noch Bücher schreiben. An diesem Dienstag feiert Hilmar Hoffmann seinen 90. Geburtstag.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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