Für gewöhnlich werden hier Getränke ausgeschenkt. Jetzt sind auf der Theke ein Mischpult, Laptop und zahlreiche Steckverbindungen für Kabel verteilt. Ein bisschen improvisiert ist es schon, das Aufnahmestudio im "Pixel". An den Schaufenstern, durch die Passanten hinein schauen können, drücken sich Kinder neugierig die Nasen platt: Wer rockt denn da? Für 48 Stunden wird das "Pixel", ein leer stehendes Ladengeschäft im Gasteig, das die Stadt für Kultur- und Medienprojekte zur Verfügung stellt, zum Tonstudio für Münchner Musiker.
"Track & Field", sinngemäß "Ton und Bild", heißt das Projekt vom städtischen Medienzentrum und der Musikabteilung der Münchener Stadtbibliothek. Das Ziel: einen Song pro Band professionell aufnehmen. Florian Antonov ist der Organisator. So etwas als Musikbibliothek auf die Beine zu stellen, liege durchaus nahe, erklärt er: "Wir begreifen uns als Anlaufstelle für das ganze Münchner Musikleben." Die Bibliothek fördere den Austausch und stelle den Musikern neben Büchern auch Instrumente und Proberäume zur Verfügung. "Da war es ein logischer Schritt, zu sagen: Ihr könnt bei uns auch aufnehmen."
Antonov, selbst Musiker, ist sichtlich begeistert von den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Zum einen profitierten die Musiker, denen die Aufnahmen am Ende zur Verfügung gestellt würden. Außerdem vernetze das Projekt vorbildlich die verschiedenen Einrichtungen - nicht nur im Gasteig: "Das Medienzentrum liefert Equipment und Know-How. Wir von der Bibliothek steuern Instrumente bei, und das Pixel funktioniert, als Raum für Teilhabe - so wie es soll." Nicht zuletzt dokumentiere man mit den Liveaufnahmen Münchner Musiker für die Ewigkeit, auch solche, die sonst womöglich unterm Radar der Plattenfirmen oder Archive liefen. Die neun Sessions an diesem Wochenende - mit Gruppen von Britpop bis Klassik - sind der erste Versuchsballon. "Der Gedanke, Track & Field zum festen Format zu machen, steht aber im Raum, sagt Antonov.
Bis Pepperella, die erste Band am Samstag, loslegen kann, dauert es eine gute Weile. Erst musste noch aufs Schlagzeug gewartet werden, das im Stau stand. Nun noch die Frickelei mit den Pegeln: Nicht nur die Lautstärke für die Aufnahme, auch die aus den Monitor-Lautsprechern muss stimmen, damit die Musiker sich gegenseitig hören. Als Aufnahmeleiter Martin Noweck endlich sagt, "Jetzt spielt noch mal einen zum warm werden", bleiben der Gruppe Pepperella von den zwei Stunden, die hier jede Band zur Verfügung hat, nur noch knapp 45 Minuten - gut sichtbar auf dem großen Flachbildschirm mit der Digitaluhr, auf der die Zeit heruntergezählt wird.
Pepperella sind hier, um ihren Song "Coming Home" einzuspielen. Natürlich live, anders wäre es sich in der kurzen Zeit kaum möglich. "Wenn ihr einen Fehler macht, fangt wieder von vorne an. Wie lassen die Aufnahme einfach weiterlaufen", erklärt Martin Noweck hinter der Studio-Theke. Auf geht's. Nach zwei Durchläufen, die noch etwas hüftsteif klingen, weicht die Anspannung aus den sechs Musikern um Sängerin Victoria. Sie werden warm und locker und spielen mehrere gute Takes des funkigen Songs mit dem markant groovenden Rap-Part ein. Eine 360-Grad-Digitalkamera in der Mitte das Raums filmt das Ganze, fachgerecht bedient von einem Mitarbeiter des Medienzentrums - sogar mit Filmklappe. Ist die Kamera kurz mal überhitzt, wandert sie fünf Minuten ins Eisfach. Das Video soll in den Sozialen Medien gezeigt werden. Die nächsten Aufnahmen-Sessions sollen sogar live übertragen werden.
Am Ende reicht die Zeit sogar noch für einen weiteren Pepperella-Song: "Love to Kite" handelt vom Gefühl, sich tragen zu lassen - wie ein Drache im Wind. Auch die Band fühlt sich jetzt richtig wohl beim Aufnehmen im "Pixel". "Das war jetzt echt megalässig", sagt Gitarrist Arne euphorisch nach dem letzten Take. Die Digitaluhr zeigt auf Null.