Ganz und gar undivenhaft:Gudrun Landgrebe

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(Foto: dpa)

Von WILLI WINKLER

Das deutsche Stadttheater, von der Theaterkritik so eifrig geschmäht und am liebsten weiträumig umfahren, ist noch immer die beste Vorschule für die ganz große Bühne, also den Film. Gudrun Landgrebe hatte bereits das halbe Repertoire durch, als Robert van Ackeren sie auf dem Weg von Dortmund nach Moers aufhielt und sie in seiner "Flambierten Frau" (1983) zur Film-Diva machte. Da entdeckt eine missvergnügte Hausfrau, wie profitabel sie Männer demütigen kann. Wahrscheinlich war das doch nur ein Porno für die besseren Stände, jedenfalls überboten sich die männlichen Kritiker gegenseitig in ihrer Begeisterung für den marmorkühlen Glamour, der ihnen da in diesen trüben ersten Jahren der Kohl-Ära von der Leinwand entgegenwehte. Auch wenn Mann es gern glauben wollte, war diese Domina nicht sie und längst nicht ihr ganzes Können, denn fast gleichzeitig spielte sie bei Edgar Reitz das ungeschminkte Klärchen, in das sich der viel jüngere Hermann in "Heimat" so unsterblich verliebt, dass er am Ende aus dem Hunsrück flieht.

Was aber sollte aus ihr werden? Gudrun Landgrebe war nun ein Star, doch es gab und gibt in Deutschland keine Filmindustrie, in der sie hätte scheinen können, also erleuchtete sie die übliche Fernseh- und "Tatort"-Ware und konnte nur selten zeigen, was sie konnte: in István Szábos "Oberst Redl" (1984) oder in Dominik Grafs "Die Katze" (1988). Zwischendurch ist Gudrun Landgrebe zum Theater zurückgekehrt, hat Hörbücher eingelesen, auf Thomas Gottschalks langer Samstagabendbank Platz genommen und ist sacht ins Fach der Grande Dame gewechselt, ohne wieder einen Regisseur zu finden, der ihr ungeheures Potenzial ausgereizt hätte.

Nur bei Helmut Dietl, in seiner München-Tragikomödie "Rossini" (1997), durfte sie als Valerie das Glamour-Weibsbild von einst selber parodieren, augenfunkelnd die Gockelmänner gegeneinander ausspielen, sich zum Schluss operndivenhaft umbringen, aber vorher den ganz und gar undivenhaften Satz hervorstoßen: "Gib mir etwas, damit ich endlich wieder scheißen kann!" Was für eine Frau und was für eine jämmerliche Filmwirtschaft, die so gar nichts mit der unvergleichlichen Gudrun Landgrebe anzufangen weiß! Am Samstag wird sie 70.

© SZ vom 20.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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