Freundschaft:Langohr-Jumpsuit

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Erst bei einer sehr heldenhaften Tat verliert das Hasenmädchen seine Angst vor dem Wolfsbaby.

Von Karin Gruß

Was tun, wenn man vor der eigenen Tür plötzlich ein kleines Bündel Leben findet? Vater und Mutter Hase schauen genauer hin: Im Bündel liegt ein Wolfsbaby! Zwischen Erschrecken und Entzücken entscheiden sie spontan, es aufzunehmen: "Er ist süß." "Er gehört uns!" Hasentochter Nora ist da ganz anderer Meinung: "Er wird uns alle auffressen!" Bei diesem ungebetenen Gast ist Skepsis gefragt! Nora bewacht den Schlafenden auch nachts mit Argwohn und Stirnlampe. Völlig sorglos verwöhnen die Haseneltern derweil den niedlichen Wolfi. "Er wird uns alle auffressen!", mahnt Nora immer wieder, doch ihre Warnungen werden von den elterlichen Begeisterungsstürmen hinweggefegt.

Was sich zunächst als sehr gelungene Geschichte über Eifersucht und Verlustangst bei Geschwisterkindern liest, eröffnet recht bald eine weitere Dimension. Zur Stärkung ihrer eigenen Vorbehalte lädt das Hasenmädchen Freunde ein. "Er wird uns alle auffressen!", schreien alle im Chor und machen sich davon, um anderswo zu spielen. Der Fremde im Wolfspelz wächst schnell und entpuppt sich als sehr anhänglich. Fürsorglich kleidet die Hasenmutter Wolfi in einen hippen Langohrjumpsuit, schließlich soll aus ihm ein feiner Hase werden. Der mehr schein- als sichtbar Integrierte folgt fortan Noras Hasenspuren auf Schritt und Tritt, bis das genervte Mädchen seine Nähe duldet.

Wie gehen wir mit Fremdem und Anderssein um? Woher rühren die Ängste, die zu rigoroser Ablehnung führen? Gleichnishaft erzählen Ame Dyckman und Zachariah OHora mit sparsamen Worten und plakativen Bildern in Wolfi, der Hase von der Möglichkeit, diese Ängste zu überwinden. "Ich behalte dich im Auge, Freundchen!", raunt Nora dem lästigen Mithasen zu, als sie gemeinsam zum Gemüsehändler gehen. Wer sich zu sehr auf ein Feindbild festlegt, übersieht oft die wirklichen Gefahren. Ein Bär mit Einkaufskorb hat den stattlichen Kostümhasen auf seiner Speisekarte und macht Anstalten, Wolfi an Ort und Stelle zu verschlingen. Doch da hat er nicht mit Nora gerechnet! Zu allem entschlossen, stellt sie sich dem Riesen entgegen: "Lass ihn los! Sonst fress ich dich auf!" Eine kluge, mit einem Augenzwinkern und gefühlsstarken Bildern erzählte Geschichte über Solidarität, echte Freundschaft und Überwindung von Urängsten. (ab 4 Jahre)

Ame Dyckman : Wolfi, der Hase. Mit Illustrationen von Zachariah OHora. Aus dem Amerikanischen von Thomas Bodmer. NordSüd 2016. 32 Seiten, 14,99, Euro.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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