Francoise Giroud:Auf Drachenjagd

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Sie war eine Kämpferin, für die Rechte der Arbeiter, für die Freiheit der Frauen. Von ihren Kämpfen erzählt Francoise Giroud, Filmautorin und Redakteurin der Zeitung L'Express, Partnerin von Jean-Jacques Servan-Schreiber, mit vehementer Offenheit.

Von Fritz Göttler

"Ich bin eine freie Frau. Eine glückliche Frau war ich auch, vermag es also zu sein - was gibt es Selteneres auf der Welt?" So beginnt Françoise Giroud ihre Geschichte zu erzählen im Sommer 1960. Es ist ein Pamphlet, für die Unbedingtheit der Freiheit und für ihre Vermessenheit. Sie weiß, wovon sie spricht. In der Nacht des 11. Mai hat sie mit einer tödlichen Dosis Gift versucht, sich das Leben zu nehmen.

In der Sonne des Sommers, auf Capri, hat sie dann versucht, in dieses Leben zurückzufinden, und zur Rekonvaleszenz gehörte auch das Schreiben. Undruckbar, befand dann aber die Freundin Florence Malraux, die den Text prüfte, zu dicht, zu nah dran, und er wurde gehorsam weggelegt. Später, nach Girouds Tod 2003, meinte man, sie hätte ihn vernichtet, aber er hat überlebt, ganz offen. "Möglicherweise liegt das am ewig gültigen Prinzip des entwendeten Briefs", schreibt im Vorwort die Herausgeberin Alix de Saint-André. "Alle Krimiliebhaber wissen: Was man verstecken will, lässt man am besten offen liegen."

Ein offenes Buch, eine wirklich freie Frau. Der Selbstmordversuch fiel in einen Moment der Leere für Giroud, die Arbeit an der Zeitschrift L'Express war beendet, die sie gemeinsam mit dem Lebensgefährten Jean-Jacques Servan-Schreiber, dem Starintellektuellen der Nachkriegszeit, lange geformt hatte, und auch die Liebe zu JJSS war passé. Die Kämpferin Giroud hatte nichts mehr, wofür sie kämpfen sollte. Von ihren Kämpfen, ihren Drachenjagden ist das Buch voll, schon früh, als Tochter einer unabhängigen, allein erziehenden Mutter aus der unteren Klasse. Vaterfiguren werfen Schatten in diese Jugend, ihr Vater ist türkischer Herkunft, in seiner Heimat zum Tode verurteilt. Er ging am Tag ihrer Geburt, dem 21. September 1916, in die türkische Botschaft in Genf und hat "mit lauter Stimme verkündet, ein Kind sei auf die Welt gekommen, leider weiblichen Geschlechts, und werde, ob es den Herrschaften gefalle oder nicht, einen schönen Namen tragen: France." Wie ein weiterer Vater, ähnlich anmutig und kühn, ist Camus - der starb wenige Monate vor dem Selbstmordversuch bei einem Autounfall.

"Die wahre Freude ist das letzte, niedergeschriebene Wort..."

Giroud schätzte den Glamour, aber die Kämpferin war natürlich Kommunistin, sie trat im gewerkschaftlichen Kampf erstmals auf, als sie in der Kinoindustrie arbeitete, als Scriptgirl, dann als Drehbuchautorin. Der junge Marc Allegret hatte sie - sie war fünfzehn - dorthin geholt, der damals, 1932, für Marcel Pagnol und seine kleine Compagnie arbeitete. Eine Lichtgestalt, am Steuer seines Voisin-Cabrios. "Außerdem hatte er einen hochangesehenen Onkel: André Gide." Die Filmleute gestalteten damals eine Utopie der gesellschaftlichen Formate, das Hohe und das Niedere, das Strenge und das Orgiastische kamen hier offen zusammen: "Keinerlei Doppelmoral. Sie mochten dicke Zigarren, also rauchten sie welche. Sie liebten Gold, also behängten sie sich damit."

Es ist eine eigene französische Erinnerungskultur, die in diesem Buch wirkt, mit einer Tradition von Stendhal zum Strukturalismus. Sie handelt von der Freiheit und vom Glück, ist emotional und kühl analytisch. Beim L'Express wurden die Artikel zunächst nicht namentlich gezeichnet. "Die wahre Freude ist das letzte, niedergeschriebene Wort, das endlich Befreiung und Erlösung schenkt. Danach haben sogar die Schweigsamen Lust zu reden, sich mitzuteilen."

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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