Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Lesezeit: 4 min

Zwiegespräch mit einem mythischen Tresor: Matthias Schweighöfer spielt einen begnadeten Safeknacker in "Army Of Thieves". (Foto: Stanislav Honzik/Netflix)

Matthias Schweighöfer knackt auf Netflix Tresore, Francis Ford Coppola legt "The Outsiders" neu auf, und Sönke Wortmann zeigt, wie man richtig streitet - die Filmwoche in Kurzrezensionen.

Von den SZ-Kritikern

Antlers

Sofia Glasl: Eine trostlose amerikanische Kleinstadt geplagt von Arbeitslosigkeit, Opioidkrise, Missbrauch und Rassismus. Der Schüler Lucas muss für den kranken Vater sorgen, einen Meth dealenden Nichtsnutz, die Lehrerin Julia stößt auf ein monströses Familiengeheimnis. Hätte Regisseur Scott Cooper aus diesen Themen ein Sozialdrama gemacht, es wäre vermutlich übermächtig geworden. Als Horrorfilm kann er all dies anschneiden, ohne es durchdeklinieren zu müssen. Der indigene Mythos des Wendigo, eines bösen Geistes mit Geweih, wird bei ihm zu einer Allegorie, die soziale Missstände als unausweichliches Geflecht begreift. Dank Produzent Guillermo del Toro ist auch für blutrünstige Schreckmomente gesorgt, beunruhigender jedoch ist das psychologische Grauen, das dieser Fatalismus hinterlässt.

Army of Thieves

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Tobias Kniebe: Der Safeknacker war schon immer ein seltsamer Actionheld: So kriminell seine Energie sein mag, so kontemplativ ist sein Handwerk in der intimen Zwiesprache mit unzerstörbaren Tresoren. Für seinen Zombiefilm "Army Of The Dead" hat Zack Snyder ein deutsches Prachtexemplar namens Ludwig erfunden, das Matthias Schweighöfer mit nerdigem Überschwang spielte. Jetzt hat Snyder die Vorgeschichte dieser Figur geschrieben, und Schweighöfer durfte selbst Regie führen. Die Rolle passt perfekt zu ihm, und das Knacken von drei Supertresoren in Paris, Prag und Sankt Moritz ergibt ein geradliniges und sympathisches Heist Movie, das nicht mehr sein will, als es ist. (Auf Netflix ab 29. Oktober)

Borga

Sofia Glasl: Wer etwas auf sich hält, geht nach Europa und wird ein Borga. So nennt man in Ghana jemanden, der es im Ausland zu Geld bringt. Dass da wenig Glamour im Spiel ist, muss Koji aus Accra feststellen, als er in Deutschland ankommt und einer von vielen Migranten ist. Der Filmemacher York-Fabian Raabe erzählt in seinem Debütfilm durchgängig aus Kojis Perspektive, meidet Stereotypisierungen zwischen Zurschaustellung und Betroffenheitsgestus. Damit setzt er ein wichtiges Zeichen für Repräsentation im deutschen Film - auch wenn er erzählerisch mit Anleihen aus Gangsterfilm, Melodram und Sozialdrama nicht ganz um erzählerische Klischees herumkommt.

Contra

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Josef Grübl: Bis auf den letzten Platz besetzte Zuschauerränge fordern derzeit viele, in Sönke Wortmanns Adaption eines französischen Kinohits lösen sie aber einen verbalen Schlagabtausch aus: Die nicht-deutsche Jurastudentin (Nilam Farooq) kommt zu spät in die Vorlesung eines sehr deutschen Professors (Christoph Maria Herbst) und wird von ihm rassistisch beleidigt. Es folgen ein Shitstorm, ein Beinahe-Rausschmiss und ein Debattierwettbewerb, der die beiden zusammenführen soll. Das ist sauber inszeniert, gut gespielt und erzählt nebenbei etwas über die ungleichen Chancen von nichtakademischen Migrantenkindern.

Daido Moriyama - The Past is always new, the Future is always nostalgic

Philipp Stadelmaier: Gen Iwama porträtiert den legendären japanischen Fotografen und Kettenraucher Daido Moriyama, der durch Tokio zieht und Schnappschüsse macht. Und er begleitet den aufwendigen Produktionsprozess der Neuauflage seines ersten Fotobandes von 1968. Auch der Film ist ein stummes Fotobuch, in dem nur in Zwischentiteln kommentiert wird und die Bilder erzählen - ein höflicher Film über einen höflichen Bildermacher, und ein Musterstück japanischer Würdigung.

Dear Evan Hansen

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Fritz Göttler: Eins der ganz großen Themen Hollywoods, die Einsamkeit der Jugendzeit: Diese düsteren Schulkorridore muss ein Junge entlanggehen ... Der liebe Evan Hansen soll, um seine Verhaltensstörung zu bekämpfen (einen Gipsarm hat er auch noch, nachdem er von einem Baum stürzte), Briefe schreiben, und zwar an sich selbst - was ziemlich schiefgeht, als der erste Schrieb in falsche Hände gerät. Es folgen ein Suizid, eine Internetaktion, der Trost der Eltern, ein Shitstorm, erste Liebe. Nach dem Bühnenmusical von Steven Levenson, Benj Pasek und Justin Paul, in der Titelrolle Ben Platt. Von Stephen Chbosky schön introvertiert inszeniert, ohne - wie's dem Genre eigentlich angemessen wäre - spektakuläre Shownummern. Dafür gibt es zwei wunderbare Mütter, Amy Adams und Julianne Moore.

Online für Anfänger

Anke Sterneborg: Pin, Puk, Sim, Passwort vergessen? Das ist noch das kleinste Übel im Umgang mit dem Internet, das nicht vergisst, weder Mobbingvideos der Tochter, noch das Sextape einer Mutter. Nach den Tücken der analogen Bürokratie in "Mammoth" nehmen die beiden französischen Regisseure Benoît Delépine und Gustave Kervern jetzt in ihrem Silberbär-Gewinner die digitale Kommunikation aufs Korn und schicken drei liebenswerte Loser (Blanche Gardin, Corinne Masiero, Denis Podalydès) in den aussichtslosen Kampf gegen die großen Kommunikationskonzerne. Das ist nicht sonderlich tiefschürfend, aber sehr amüsant, weil doch jeder schon mal in der Dauerschleife der Hilfshotline hing oder am Passwort-Wahnsinn verzweifelt ist.

The Outsiders - The Complete Novel

Tobias Kniebe: Raufen wie um Leben und Tod, Treueschwüre für die Ewigkeit und ein melodramatischer Hass auf die Welt. So spürt man das Leben, wenn man 16 ist, und der große Francis Ford Coppola hat sich diesen inneren Teenager bewahrt. Mit "The Outsiders" verfilmte er 1983 den Jugendbuchklassiker der wirklich erst 16-jährigen Susan E. Hinton über zwei verfeindete Jugendgangs in Tulsa. Und ermöglichte Youngsters wie Patrick Swayze, Diane Lane, Matt Dillon und Tom Cruise den Karrierestart. Jetzt hat er geschnittene Szenen restauriert, um der Jugend diesen Lieblingsfilm so komplett wie möglich zu hinterlassen.

Ron läuft schief

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Anke Sterneborg: Eine KI fürs Kinderzimmer, in guter Absicht als "bester Freund aus der Kiste" erdacht, vom CEO der Tech-Firma aber zur Gewinnmaximierung als Datenkrake genutzt. Im Kontrast zur gleichgeschalteten Masse der Kids ist Roboter Barney der unglückliche Außenseiter, der allerdings durch seine Fehler sympathisch, geradezu menschlich wird. Unter der Regie von Sarah Smith, Jean-Philippe Vine und Octavio E. Rodriguez verbindet das Debüt aus dem britischen Locksmith-Animationsstudio quirliges Abenteuer, flotte Gags und knallbunten Look mit Kritik an den "unsozialen Medien" und einer Botschaft über den Wert analoger Freundschaft. Im Original mit den Stimmen von Jack Dylan Grazer, Zach Galifianakis, Ed Helms und Olivia Colman.

Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt

Helmut Mauró: Ein detailreich inszenierter Versuch, die Wirkung Richard Wagners bis heute zu beschreiben und von Beteiligten erklären zu lassen. Neben einem geschwätzigen Metzger-Ehepaar aus Bayreuth kommen auch Fachleute zu Wort, allen voran Alex Ross und Barry Kosky; Katharina Wagner hat erstaunlich wenig zu sagen. Das Resümee der Dokumentation von Axel Brüggemann formuliert ein jüdischer Künstler, der wie viele Stimmen nicht namentlich genannt wird: "Wir sollten uns bei Wagner nicht sicher fühlen; es sollte uns immer ein gewisses Unwohlsein begleiten."

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Sönke Wortmann hat mit seinem neuen Film "Contra" ein furioses Dialogstück geschaffen. Im Interview spricht er über den Umgang mit Rassismus, Zugeständnisse an die freie Meinungsäußerung und seine Anfänge als Fahrer am Set von "Monaco Franze".

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