Filmfestspiele Cannes 2008:Pandas, Palmen und Palermo

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Delikatessen des Filmgeschäfts: Komplizierte Liebe, politische Verstricktheit, Witz und Tricks bei den 61. Filmfestspielen in Cannes.

24 Jahre nach seiner Goldenen Palme für "Paris, Texas" geht der Deutsche Wim Wenders zum neunten Mal mit einem Film im Wettbewerb von Cannes an den Start. Auch etliche andere treue Partnerschaften werden beim 61. Durchgang des größten Filmfestes der Welt (14. bis 25. Mai) aufgefrischt. Doch was wäre ein Festival ohne junge Flirts? Fast der Hälfte aller Teilnehmer im Wettbewerbsprogramm steht das aufregende "erste Mal" einer Premiere im Festivalpalais bevor.

In "Kung Fu Panda" leiht Jack Black einem der schwarz-weißen Kuschelbären seine Stimme. Der Animationsfilm läuft in Cannes außer Konkurrenz. (Foto: Foto: Reuters)

Zu den ganz lässigen Veteranen mitten im Trubel von Cannes gehört neben Wenders, der das Drama "Palermo Shooting" mit Campino von den Toten Hosen mitbringt, sicherlich auch Palmen- und Oscar-Gewinner Clint Eastwood (77). Er zeigt "Changeling" ("Das Wechselbalg"), ein Drama über eine Mutter, deren Kind in den 1920er Jahren gekidnappt wird. Angelina Jolie spielt die Hauptrolle, John Malkovich ist als Polizist dabei. Ob sich Jolie allerdings kurz vor der Geburt ihrer Zwillinge mit ihrem Liebsten Brad Pitt durch das Gedränge der Fotografen über die lange Treppe ins Palais schiebt, ist noch unklar.

Die Hauptrolle von "Palermo Shooting" hat Wenders dem Sänger und Frontmann der Düsseldorfer Punkband Tote Hosen auf den Leib geschrieben: Campino spielt Finn, einen erfolgsverwöhnten Fotografen, der ein hektisches Leben in Düsseldorf (Wenders' Geburtsstadt) lebt. Als seine Existenz urplötzlich aus den Fugen gerät, lässt Finn alles hinter sich und reist nach Palermo. Dort wird er von einem mysteriösen Schützen verfolgt, gleichzeitig beginnt für ihn ein ganz neues Leben und eine große neue Liebe.

Mit "Wolke 9" erzählt Andreas Dresen ("Nachtgestalten", "Sommer vorm Balkon") in der Nebenreihe "Un certain regard" eine ungewöhnliche Liebesgeschichte: Eine Frau, Mitte 60 und seit 30 Jahren verheiratet, fühlt sich zu einem anderen Mann hingezogen. Zwischen den beiden Alten entwickelt sich eine große, frische Leidenschaft.

Gemischte Gefühle

Gewohnt bescheiden und zurückhaltend wird wohl wieder der Auftritt von Jean-Pierre und Luc Dardenne. Das belgische Bruderpaar, das für seine kleinen, realistischen Dramen schon zweimal den Hauptpreis gewonnen hat, zeigt dieses Mal "Le silence de Lorna" ("Lornas Stille"). Viel Erfahrung mit den Verrücktheiten von Cannes hat auch der Amerikaner Steven Soderbergh (45), Gewinner 1989 mit "Sex, Lügen und Video". Er verlangt vom Publikum dieses Mal Sitzfleisch, denn sein Werk "Che" besteht aus zwei kompletten Spielfilmen über den kubanischen Revolutionsführer Che Guevara (Benicio del Toro) und ist 4 Stunden 28 Minuten lang.

Starkino mit Anspruch bieten auch die anderen US-Amerikaner in der Konkurrenz: Joaquin Phoenix und Gwyneth Paltrow spielen in James Grays Liebesdrama "Two Lovers" ein Paar in Brooklyn. Und der erfolgreiche Drehbuchautor Charlie Kaufman verwickelt in seiner ersten Regie "Synecdoche, New York" Größen wie Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener und Jennifer Jason Leigh in eine komplizierte Big-Apple-Geschichte.

Einen starken Eindruck wollen die Lateinamerikaner an der Côte d'Azur mit vier Produktionen im Wettbewerb hinterlassen. Für den Eröffnungsfilm "Blindness" ("Die Stadt der Blinden") mit Julianne Moore nach dem Roman des Literaturnobelpreisträgers José Saramago macht das Festival eine Ausnahme von der Regel, wonach der Appetizer zum Kinomenü eigentlich immer außer Konkurrenz läuft. Der brasilianische Regisseur Fernando Mereilles ("City of God") sieht das mit gemischten Gefühlen. "Ich weiß, dass "Blindness" nicht der passendste Film zur Einstimmung auf ein Cocktail und eine Party ist, und ich weiß, dass die Geschichte manche Leute ärgern wird."

Außer Konkurrenz

Mereilles' Landsmann Walter Salles, bekannt durch "Central Station", zeigt "Linha de Passe" ("Abschlag") über arme, aber ehrgeizige Fußballtalente. Aus Argentinien sind Pablo Trapero (36) und Lucrecia Martel (41) mit zwei verschiedenen Frauendramen dabei. Ihre Liebe zu Italien, im letzten Jahr völlig erkaltet, haben die Festivalmacher um Thierry Frémaux offensichtlich wiederentdeckt: Zwei italienische Wettbewerbs-Debütanten sind mit politisch brisanten Themen dabei. Matteo Garrone (39) hat den Sachbuch-Bestseller "Gomorrha" von Roberto Saviano über die Strukturen der Mafia verfilmt. Mit dem früheren Premierminister Giulio Andreotti beschäftigt sich "Il divo" von Paolo Sorrentino.

Politik und Geschichte prägen auch den israelischen Beitrag "Waltz With Bashir". Der Animationsfilm des Comiczeichners Ari Folman geht in den Libanon-Krieg der 80er Jahre zurück. Das Schicksal von Fabrikarbeitern in China zeigt der einzige chinesische Film im Wettbewerb, "24 City" von Jia Zhangke.

Doch neben all den ernsten Themen hat in Cannes immer auch der Spaß seinen Platz. Unbestrittener Entertainment-Höhepunkt wird die Weltpremiere von Steven Spielbergs Abenteuer "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" mit Harrison Ford und Cate Blanchett. Witz und Trick kombiniert der Animationsfilm "Kung Fu Panda" - ebenfalls außer Konkurrenz.

Und dann ist da noch Woody Allen, der wieder einmal eine komplizierte Liebe und viele Stars im Gepäck hat. Seine lustvolle Dreiecksgeschichte "Vicky Cristina Barcelona" bringt Scarlett Johansson, Penelope Cruz und Javier Bardem auf den Roten Teppich und damit den Glamour, der das Festival zur gigantischen Party macht.

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