Film:Venedig-Juror Gröning: Preise machen Filme sichtbarer

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Venedig (dpa) - Der deutsche Regisseur Philip Gröning ist bei den diesjährigen Filmfestspielen Venedig Mitglied der internationalen Jury. Eröffnet wird des älteste Filmfestival der Welt am Mittwoch (27. August). Ein Interview über die Bedeutung von Filmpreisen und den Gang über den roten Teppich.

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Venedig (dpa) - Der deutsche Regisseur Philip Gröning ist bei den diesjährigen Filmfestspielen Venedig Mitglied der internationalen Jury. Eröffnet wird des älteste Filmfestival der Welt am Mittwoch (27. August). Ein Interview über die Bedeutung von Filmpreisen und den Gang über den roten Teppich.

Als Teil der internationalen Jury vergeben Sie im Wettbewerb unter anderem den Goldenen Löwen. Warum sind Filmpreise wie dieser wichtig?

Philip Gröning: Auszeichnungen sind ja eine Anerkennung für eine herausragende Leistung und führen hoffentlich dazu, dass Filme sichtbarer werden. Gegenüber dem Publikum, der Presse, den Geldgebern. Es ist eine Chance, auf Filme hinzuweisen, die herausragend sind. Es gibt ja sehr viele Filme. Auszeichnungen sind da eine Orientierungshilfe, gerade im Arthousebereich. Aus meiner eigenen Biografie weiß ich: Die Möglichkeit, als Regisseur weiter zu arbeiten, hängt manchmal entscheidend von Preisen ab.

Worauf freuen Sie sich am meisten bei der Juryarbeit?

Gröning: All die Filme zu sehen. Ich habe ja sonst nie Zeit, so viele Filme anzuschauen. Mit dieser Juryarbeit habe ich die Möglichkeit, einen Überblick über die Filme zu erhalten, die in diesem Jahr wohl zu den wichtigsten weltweit gehören. Das ist toll, darauf freue ich mich. Auch auf die Anregungen, die es mir für meine eigene Arbeit gibt. Außerdem bin ich bei dieser Jury gespannt auf die Diskussionen. Es ist ja eine Jury, die zum großen Teil aus Künstlern besteht, die aus anderen Künsten kommen. Es sind nicht alles Regisseure. Der Präsident zum Beispiel ist ein Komponist. Sie alle bringen sicher eigene Blickweisen mit.

Wann ist ein Film für Sie preiswürdig?

Gröning: Die innere Wahrheit, die Tiefe eines Films ist für mich ein fundamentales Kriterium. Ich finde auch wichtig, ob nach einer gültigen filmischen Form gesucht wird oder ob einfach eine normale, gängige Filmform über eine Geschichte gestülpt wird. Für mich persönlich ist das immer etwas uninteressanter. Aber am Ende geht es auch darum, welcher Film mich persönlich am meisten berührt.

Was meinen Sie mit der „inneren Wahrheit“?

Gröning: Kunst hat ja einen Sinn: Der Zuschauer kann mit sich selbst einen Kontakt aufnehmen, indem er etwas Fremdes, aber tief Gültiges erlebt. Die Begegnung mit Kunst erlaubt, sich selbst zu erleben. Wenn das geschieht, hat es für mich etwas mit der inneren Wahrheit zu tun. Das ist auch einer der Gründe, warum ich zugesagt habe, als die Anfrage zur Jurymitarbeit kam. Ich denke, ich hoffe, ich kann dabei mithelfen, dass solche Filme Preise bekommen.

Im Wettbewerb gibt es vier deutsche Ko-Produktionen, darunter zwei Filme von in Deutschland lebenden Regisseuren: Fatih Akin mit „The Cut“ und KaanMüjdeci mit seinem Debüt „Sivas“. Wie geht man als deutsches Jurymitglied mit diesen Beiträgen um? Versuchen Sie zum Beispiel, sich bewusst zu distanzieren?

Gröning: Wenn ich in der Jury sitze, dann spielt die Herkunft der Filme ehrlich gesagt keine Rolle. Ich freue mich, dass Deutschland eine solche Präsenz hat auf diesen Filmfestspielen, in allen Sektionen. Aber auf das Entscheiden und das Vergeben von Preisen hat das keinen Einfluss. Ein guter Film ist ein guter Film. Kunst ist niemals eine nationale oder nationalistische Angelegenheit. Ein Werk ist geglückt oder nicht geglückt. Das sind die Kriterien.

Und zum Abschluss eine ganz andere Frage: Wie viele Anzüge werden Sie für die Festivalzeit in Ihren Koffer packen?

Gröning: Naja, da ich nur eine sehr begrenzte Anzahl von Anzügen besitze, werde ich genau die einpacken. Ich werde nicht extra Anzüge kaufen, nur weil ich in der Jury sitze. Ich werde also genau einen Smoking mitnehmen, einen schwarzen Anzug und einen blauen. Ich nehme allerdings an, dass ich an den meisten Tagen gar keinen Anzug tragen werde. Ich bin ja in der Jury, aber nicht im Rampenlicht. Dahin gehören die Künstler, die dieses Jahr ihre Filme dort zeigen. Um die geht es.

Als ich vor ein paar Jahren Präsident der Jury der Venedig-Sektion Orizzonti war, bin ich meist durch einen Nebeneingang in den Kinosaal gegangen. Ich habe es gemieden, über den roten Teppich zu gehen. Vielleicht mache ich es dieses Mal ähnlich - der rote Teppich ist für mich nicht der Grund, warum ich nach Venedig fahre.

Zur Person: Philip Gröning (54) wurde 1959 in Düsseldorf geboren. Der Regisseur studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und gründete Mitte der 1980er Jahre seine eigene Produktionsfirma. 1992 sorgte er mit dem Film „Die Terroristen“ für Aufsehen. Darin planen drei Jugendliche kurz nach der Wiedervereinigung, den Kanzler in die Luft zu jagen. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl versuchte damals erfolglos, die TV-Ausstrahlung zu verhindern. 2005 feierte Gröning einen internationalen Erfolg mit der Dokumentation „Die große Stille“ über ein Kloster in den französischen Alpen. Vergangenes Jahr wurde er für sein Drama „Die Frau des Polizisten“ beim Filmfestival Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

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