Figurentheater:Die Welt am Spielkreuz

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Marionettenbasteln mit Puppenspielerin Lisa Saumweber. (Foto: Catherina Hess)

Das Münchner Marionettentheater ist auch im Sommer geöffnet und lockt mit einem Familienprogramm

Von Anna Weiss, München

"Darf ich noch ein bisschen rot haben?", ruft ein Kind durch die Werkstatt des Münchner Marionettentheaters. Es hat eine improvisierte Halterung vor sich, auf der eine Holzkugel thront, die später mal das Gesicht von Rotkäppchen werden soll. Acht Kinder sitzen einträchtig in der Werkstatt des Theaters und bauen Tuchmarionetten. Lisa Saumweber, Puppenspielerin im Münchner Marionettentheater und Betreuerin des Kinderferienprogramms, läuft über die alten Dielen der kleinen Werkstatt und schafft es auf beeindruckend unaufgeregte Weise, jedem Kind gerecht zu werden.

"Das Ferienprogramm findet auf Anregung von Frau Saumweber dieses Jahr zum ersten Mal statt", erzählt Intendant Siegfried Böhmke. Er ist einer der wenigen Intendanten in München, der mit seinem Haus keine Sommerpause macht und laufend spielt. Das hat zwei Gründe: "Es geht natürlich um den Ferienspaß. Gerade weil alle anderen nicht spielen, spielen wir", erklärt er. Vor allem Touristen und Familien nehmen das Angebot wahr. Zum anderen ist es das erklärte Ziel, Kindern das Marionettentheater näherzubringen und sie dafür zu begeistern, um sich dadurch das Publikum von morgen zu sichern.

Böhmke bedauert, dass Kinder in der heutigen Zeit oft durch elektronische Medien abgelenkt werden und bemerkt einen deutlichen Unterschied zwischen den kleinen Besuchern von vor 20 Jahren und heute. "Deswegen wollen wir die Kinder auch wieder an das Handwerkliche heranführen", ergänzt der Intendant, der das Theater seit dem Jahr 2000 leitet. Das klappt bei dem Ferienprogramm hervorragend. Konzentriert schleifen die Kinder ihre Spielkreuze ab und lassen sich zeigen, wie man das Tuch, das später mal der Körper der Marionette wird, durch die Kugel fädelt. Zwei Erstklässlerinnen bemalen selbstvergessen ihre Kugeln, die zwei bezopften Köpfe neigen sich mal nach links, mal nach rechts. Die meisten Kinder sind Fans des Marionettentheaters. "Ich bin Stammgast", lässt Teilnehmer Korbinian fröhlich verlauten und fragt direkt bei dem Licht- und Tontechniker nach, ob er bitte ein Praktikum im Marionettentheater machen kann, wenn er alt genug ist. Natürlich darf er. "Ich hab hier sogar mal meinen Geburtstag gefeiert", sagt Bahia stolz und wedelt mit ihrem pinken Tuch.

Lisa Saumweber hat Freie Kunst studiert und eine Ausbildung zur Schreinerin gemacht. In ihrer Freizeit hat sie pädagogisch gearbeitet, dies merkt man ihr am Umgang mit den Kindern an, die sie alles fragen dürfen. "Wir sind hier nicht in der Schule, gell, ihr dürft mich duzen", lacht sie. Am Anfang hat sie den Teilnehmern nach einer kleinen Einführung ein paar ausgedruckte Motive gezeigt, von denen sich die Kinder inspirieren lassen konnten, aber nicht mussten. Und so bastelt Korbinian zwischen Einhörnern, Tieren und Sepperl eine Fantasiefigur. Die Kinder, die mit dem Marionettentheater schon sehr vertraut sind, verleben einen ereignisreichen Tag. "Wir überlegen uns auch ein Programm für Kinder, die aus anderen Kulturkreisen kommen und Marionettentheater vielleicht gar nicht kennen. Da sind wir gerade im Gespräch mit dem Kulturreferat", verrät Intendant Böhmke. Er selbst ist seit Kindertagen mit dem Theater vertraut und seit seiner Jugend begeisterter Puppenspieler. Wie wäre eine Welt ohne Marionetten? "Arm!", antwortet er prompt.

Deshalb bietet das Marionettentheater auch ein Familienprogramm mit einer vielfältigen Stückauswahl. Weltweit ist es das einzige Theater, das jedes Jahr ein Werk von Carl Orff spielt. Das geht auf die Intendanz von Franz Leonhard Schadt zurück, der seinen Dienst in den 1950er-Jahren antrat. Schadt kannte den passionierten Marionettenliebhaber Orff persönlich, der bei der Aufführung seiner einaktigen Oper "Die Kluge" im Münchner Marionettentheater 1959 im Publikum saß. Gerade weil Orff im Gegensatz zu anderen Komponisten nicht überall gespielt wird, hat sich das Marionettentheater seinem Werk verschrieben. Nächstes Jahr wird anlässlich des Orff-Jahres die selten gespielte bairische Komödie "Astutuli" aufgeführt.

Orff-Aufführungen interessieren vor allem Erwachsene, generell ist die Faszination von älteren Zuschauern am Marionettentheater groß. Viele Erwachsene sind begeistert von dem Haus und möchten Informationen über die Ausbildung zum Puppenspieler und über Anleitungen zum Marionettenbauen. "Deswegen besteht die Idee, diesen Kurs auch für Erwachsene anzubieten", schmunzelt er. Der Kurs für Kinder wird auf jeden Fall im nächsten Jahr weitergeführt.

Münchner Marionettentheater, Blumenstr. 32, t 26 57 12; Infos unter www.muema-theater.de

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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