Feuilleton:Salzburger Festspiel-Edition

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Von Helmut Mauró

Die Opernfreunde trifft es hart in diesem Jahr, denn die wenigsten Bühnenwerke lassen sich auf Corona-Format in pausenlose Kurzform bringen - einige würden durch mutige Straffung durchaus gewinnen. Dennoch: Schon jetzt erinnert man sich wehmütig der Zeiten ohne Einschränkungen. Die Edition "100 Jahre Salzburger Festspiele" (DG) belegt in eindrucksvollen Live-Mitschnitten, wie sich die Epoche reinen Kunstgenusses anfühlte. Von Verdis "Trovatore" bis Tschaikowskys "Eugene Onegin" und Strauss' "Arabella" findet man das große Repertoire. Auch der "Rosenkavalier" von 1960 mit Lisa della Casa und Sena Jurinac unter Leitung von Herbert von Karajan ist dabei. Natürlich dominieren die Opern von Mozart, darunter ein "Idomeneo" dirigiert von Ferenc Fricsay. Leider ist auch der nicht nur politisch, sondern auch ästhetisch aus heutiger Sicht eher zweitklassige Dirigent und Mozart-Strangulierer Karl Böhm prominent vertreten.

Auch in der zweiten großen Abteilung mit Konzerten gibt es hie und da ein freudiges Wiedersehen, darunter ein Wagner-Programm mit den Wiener Philharmonikern und Jessye Norman, dirigiert von Karajan zwei Jahre vor seinem Tod. Ein wirklich beeindruckendes Dokument.

Dagegen erinnert man sich eher ein bisschen belustigt an Georg Soltis Auftritt mit dem Chicago Symphony Orchestra 1992. Wie nach der pompös aufgedonnerten "Symphonie Fantastique" von Berlioz ohne Vorwarnung plötzlich Franz Liszts sinfonische Dichtung "Les Préludes" hereinfegte.

Solti war fast 80 Jahre alt und gab dennoch oder deshalb den Derwisch am Pult. Man fühlte sich einsam mit seiner Irritation über diesen Auftritt, vor allem über das Stück, das einst als Erkennungsmelodie für den Wehrmachtsbericht in Rundfunk und Wochenschauen verwendet wurde, als "Russland-Fanfare" für die Sondermeldungen - entsprechend der Frankreich-Fanfare mit der Melodie der "Wacht am Rhein". Das konnte man kaum ausblenden. Aber nun, beim Wiederhören auf CD, gelingt auch dies; es ist ja eine grandiose Musik. Und doch kommt man ins Grübeln darüber, welche Musik damals für welche Zwecke eingesetzt wurde - und wie das alles mit Salzburg zusammenhängt.

© SZ vom 08.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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