Festival:Kostenlos Krawall

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Punk, Ska, Balkan, Gaudi: Django S. kommen aus Rosenheim und spielen am 31. Juli. (Foto: Fame Recordings)

Beim Free & Easy im Backstage sieht man auch die Künstler aus der virtuellen Welt endlich auf der Bühne

Von Stefan Sommer

Stefan Effenberg hätte Augen gemacht. Steht sie da in seiner Pose mit ausgestrecktem Mittelfinger auf der Bühne. Dann verteilt sie auch noch aufblasbare Plastik-Mittelfinger an das Publikum und keiner schimpft. Nicht mal ein klitzekleiner Buhruf. Die Welt hat sich verändert: War der ehemalige Nationalspieler 1994 bei der Weltmeisterschaft in den USA für diesen Gruß noch unehrenhaft aus der Mannschaft verbannt worden, scheint es so, als gebe es für das Publikum sowie die Flensburger Rapperin Antifuchs - die mit dem blonden Pferdeschwanz und der Fuchsmaske - am Mittwochabend nichts Natürlicheres: "Mittelfinger hoch! Alle Mittelfinger hoch!". Ihr Auftritt ist neben den Konzerten der bayerischen Gaudi-Kombo Django S. (Dienstag, 31. Juli) und den US-Rockern von Helmet (Dienstag, 31. Juli) eines der musikalischen Highlights des Free & Easy Festivals.

Begonnen hat für Emilia Reichert alles mit Youtube. 2013 nimmt sie als Antifuchs bei einem Online-Battle-Rap-Turnier teil und lehrt eine ganze Fußballmannschaft von männlichen Großmäulern das Fürchten. Ihr brutaler Stil, ihre radikale Antihaltung, ihre schnörkellose Sprache erinnert an die Parts von Kool Savas oder anderen Altmeistern der Berliner Royal-Bunker-Schule. Plattenlabels interessieren sich für die junge Frau mit der Maske, nehmen sie unter Vertrag. Im sehr männlichen deutschen Hip-Hop-Kosmos provoziert sie mit Zeilen wie "Ich hab ein Mundwerk wie ein Mann". Mit feministischer Haltung arbeitet sie sich an Rollenbildern und Klischees ab, immer hinter der Fuchsmaske versteckt - eine Fähe muss tun, was eine Fähe tun muss.

Songs wie "Leisefuchs" thematisieren direkt und schonungslos, was dazu gehört, als Frau in der Musikindustrie anzukommen, welche Erwartungen an einem zerren. Gerade live überzeugen diese drei-minütigen Wutausbrüche im Backstage. Antifuchs ist angekotzt. Mit präziser Stimmkontrolle und Sprachwitz navigiert sie sich durch die Parts und Gedankenströme - die harte Ausbildung im Eins gegen Eins, im Battle-Rap hat sie das poetische Fluchen gelehrt. Neue Tracks von ihrem Debütalbum "Stola", wie Stücke älterer EPs funktionieren live und halten die Spannung hoch. Die Frau mit der Fuchsmaske gilt zurecht momentan als eine der spannendsten Figuren des deutschen Hip Hop.

Neben der norddeutschen Rapperin mit Youtube-Vergangenheit hat das Free & Easy Festival aber noch andere Helden aus dem World Wide Web im Programm. So trat am vergangenen Wochenende bereits Internet-Phänomen und Proto-Cloud-Rapper Money Boy aus Wien im Backstage auf. Am 31. Juli werden dann die Macher des Blogs "Worst Of Chefkoch" in einer unappetitlichen Live-Lese-Koch-Show die absurdesten Gerichte aus den Untiefen des Internets vorstellen und vorkochen. Die Gourmets der Internet-Cuisine haben über die Jahre die merkwürdigsten Rezepte, die durch das Netz schwirren, gesammelt - im Backstage bitten sie nun zu Tisch. Igitt.

Die offizielle deutsche Luftgitarrenmeisterschaft am Samstag, 28. Juli (20 Uhr), ein Punk'n Roll-Flohmarkt am Sonntag, 29. Juli, von 15 Uhr an, der so manche Raritäten bereit hält, und zum Schluss die die amerikanische Zirkus-Freakshow "Hellzapoppin" am Sonntag, 5. August, komplettieren das kunterbunte Programm des Festivals. Bis 5. August sind alle Veranstaltungen, Konzerte und Lesung im Backstage kostenlos.

Free & Easy, Do., 19. Juli, bis 5. Aug., tägl. 18 Uhr, Backstage, Reitknechtstr. 6, Eintritt frei

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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