Fashion an der Uni:Mode im Mittelbau

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Rollkragenpullover heißt existenzielle Krise: Michael Douglas als Professor im Film "Wonder Boys". (Foto: imago)

Eine Forscherin fragt: Ist es noch erträglich, was Akademiker im Lehr- und Forscherberuf an den Unis so tragen? Sie erinnert an Jacken von Michel Foucault, Schals von Simone de Beauvoir und den "feschen Skilehrer-Stil" von Jacques Derrida.

Von Johan Schloemann

Männliche Nachwuchshistoriker tragen ja eine helle Hose. Dazu ein dunkleres Sakko und ein offenes Hemd, unter dem der Rundkragen eines weißen T-Shirts hervorschaut. Junge Kunsthistorikerinnen kommen entweder noch aus der Perlenohrring-Fraktion, oder sie kleiden sich in Vernissage-Schwarz, garniert mit popkulturellen Accessoires oder Vintage-Zitaten. Und die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken, die einiges über Mode publiziert hat, erzählte jüngst in einem Interview, wie sie (Kleid: Alaïa) bei einem Uni-Fest denken musste: "Diese Männer hier - und es sind ja fast nur Männer - sind so von sich eingenommen, dass sie es sich leisten, auf Charme und Eleganz zu verzichten."

Das sind ein paar knallharte empirische Fakten, aber die große Fashion-Studie der deutschen Universität steht noch aus. Einstweilen hat sich Shahidha Bari, die mit der feinen Berufsbezeichnung "Senior Lecturer in Romanticism" an der Queen Mary University in London arbeitet, Gedanken über akademische Dresscodes gemacht. "Der schwarze Rollkragenpullover" - wie ihn Michael Douglas als Professor in dem Film "Wonder Boys" trug - "verurteilt einen natürlich zu einer existenziellen Krise", schreibt Bari, die gerade ihrerseits an einer Theorie der Mode arbeitet, im Hochschulblatt Chronicle of Higher Education.

Nonchalance in der Kleidung, weiß Shahidha Bari, ist besonders bei Geisteswissenschaftlern schwer zu deuten: Strengste Priorität von Forschungsthemen und fachlicher Objektivität? Oder intellektuelle Attitüde? Es gibt ja trotzdem die Macht der Selbstdarstellung in Positionen, die mit einer gewissen Autorität ausgestattet sind, es gibt längst auch diverse kulturwissenschaftliche Forschungen über Kleider-Normen und ästhetische Performanz - und außerdem Berühmtheiten, deren ikonischer Wirkung man sich kaum je entziehen kann: Michel Foucaults Lederjacken zu polierter Glatze, Simone de Beauvoirs Seidenschals oder Jacques Derridas "Fescher Skilehrer"-Stil.

Und doch bleibt ein Grundmisstrauen gegenüber Akademikern, die so aussehen, als hätten sie viel über ihre Kleidung nachgedacht. Man kennt das von deutschen Ordinarien, bei denen nach dem Ablegen der Talare nicht immer gleich der Muff von tausend Jahren hervortrat, sondern ein Gelehrter mit kurzärmeligen "Eterna"-Hemden und Wohlfühlschuhen, dem sein Look erfrischend egal war. Auch Shahidha Bari erinnert sich gut an die Literaturprofessoren mit immer gleichem Tweed-Sakko, und sie weist auf die Ironie hin, dass man Sakkos inzwischen von der Stange mit Ellenbogenschonern kaufen kann: Der durchgescheuerte Ärmel sei leider "nicht mehr die stolz getragene Kriegsverletzung langer Bibliothekstage".

Heute hingegen müssen mies bezahlte Lehrbeauftragte und Projektforscher ihr Dilemma auch in ihrer Kleidung austragen: mal Schlabberpulli mit Kaffeebecher, mal Kostüm für die Evaluation und Imagebroschüre; einerseits jung, cool und verfügbar wirken, andererseits für seriöse Positionen infrage kommen. Erste Maßnahme laut der Londoner Romantik-Expertin: "ein Jackett über das Ramones-T-Shirt streifen".

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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