Facebook:Asoziale Medien

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Facebook-Mitgründer Sean Parker und ein ehemaliger Top-Manager des Konzerns konfrontieren das soziale Netzwerk mit scharfen Vorwürfen. Man habe die Nutzer "programmiert" und so der Demokratie geschadet.

Von Bernd Graff

Derzeit melden sich ehemalige Top-Manager des kalifornischen Unternehmens Facebook, die das manipulative Potenzial der Plattform geißeln. Zuerst äußerte sich der ehemalige Präsident und Mitgründer, Sean Parker. Er erklärte Anfang November, dass man bei der Konzeption der Plattform seinerzeit ganz bewusst auf Suchtfaktoren und süchtig machende Features gesetzt habe, welche "die Verwundbarkeit der menschlichen Psyche" ausnutzen. Ziel sei es gewesen, "so viel Aufmerksamkeit wie möglich" auf sich zu ziehen, um Nutzer dauerhaft zu binden. Die Konsequenzen habe er nicht absehen können. Heute meint er zu wissen: Das Netzwerk "verändert dein Verhältnis zu Gesellschaft und Miteinander, es verändert deine Produktivität. Wir wissen nicht, was es mit den Hirnen unserer Kinder macht."

Der ehemalige Vizepräsident des Konzerns sagt, er würde "diesen Scheiß" nicht mehr nutzen

Fast im selben Wortlaut erklärte sich danach der ehemalige Vizepräsident des Konzerns, Chamath Palihapitiya. Er sprach davon, dass wegen Facebook das Sozialverhalten in der Gesellschaft grundsätzlich erodiere, und dass er durch seine Beteiligung an der Entwicklung "unendliche Schuld" auf sich geladen habe. "Facebook programmiert die Menschen." Er würde "diesen Scheiß" nicht mehr nutzen und verbiete es auch seinen Kindern strikt. Denn das Netzwerk beende "den öffentlichen Diskurs" und fördere stattdessen "Missinformation und Misstrauen".

Betrachtet man den politischen Kontext, wird einem klar, welche Tragweite diese Kritik hat. Seit der US-Wahl von 2016 und spätestens, seit Facebook im November 2017 verkündete, zwei Milliarden aktive Mitglieder zu haben, muss man fragen, welche Rolle dieses Netzwerk in den westlichen Demokratien spielt. Denn klar ist, dass ein Zwei-Milliarden-Menschen-Netzwerk eine Form von Öffentlichkeit darstellt, die auf der ausschließlich von Facebook-Algorithmen gesteuerten Plattform unterhalten und informiert wird.

Bereits 2012, bei den damaligen Präsidentschaftswahlen, wurde deutlich, dass der zur Wahl eingeführte "Ich habe gewählt"-Button zu einem Anstieg der Wahlbeteiligung bei Jüngeren führte, damals mutmaßlich zugunsten Obamas. Seitdem ist die Sozial-Plattform in den Fokus einer ganzen Reihe von Untersuchungen geraten, die allesamt feststellen: Facebook ist keine neutrale Plattform, kein unbeteiligtes Medium, sondern aktiver Player und damit ein immer bedeutender werdender Faktor im Spiel der politischen Kräfte. Nach welchen Regeln aber agiert Facebook, welche Agenda verfolgt das Unternehmen? Demokratisch legitimiert ist die Plattform jedenfalls nicht.

Im Juni 2014 fragte Jonathan Zittrain von der Harvard Law School in der Zeitschrift New Republic, ob man nun ein Facebook-Gesetz brauche, um das "Digital Gerrymandering", die Beeinflussung der Nutzer durch die auf sie zugeschnittenen Newsfeeds, unter die Kontrolle staatlicher Behörden zu bringen. Die Presseabteilungen des Netzgiganten erklären seitdem reflexhaft, dass sie eine Manipulation von politischen Willensbildungsprozessen niemals auf ihrer Plattform dulden oder gar selber betreiben würden. Dennoch bleibt unübersehbar, dass das Konzerninteresse primär darin besteht, so genau wie möglich voraussagen zu können, was einen Nutzer zu Interaktion mit den ihm präsentierten Inhalten animiert. Was er also mögen, kommentieren, weiterverbreiten könnte. Abermillionen Nutzer-Daten werden darum in Facebooks Maschinenlernsysteme eingespeist, um diese Prognosen mithilfe künstlicher Intelligenz erstellen und punktgenau lancieren zu können. Die Algorithmen von börsennotierten Unternehmen sind schließlich nicht den Nutzern, sondern nur den Aktionären verpflichtet.

Da Nachrichten und Nutzerkommentare nach den Vorlieben des jeweiligen Nutzers aggregiert werden, haben sich Communitys auf der Plattform bilden können, die voneinander völlig abgeschottet sind. Die gargantuahafte Größe von Facebook hat darum das Interesse von oft radikalen politischen Gruppierungen gefunden, die in diesen Communitys ihre Propaganda ungefiltert verbreiten können. So befördert Facebook die Entstehung von Gegenöffentlichkeiten, die parallel zur Wirklichkeit und unbehelligt von Realitätschecks existieren. Wenn man dann durch eine Pew Research Studie erfährt, dass mittlerweile 44 Prozent der Amerikaner ihre Informationen über Facebook beziehen, ahnt man, welchen Einfluss das Netzwerk auf ganze Gesellschaften hat.

Facebook-Ingenieure sollen Trumps Wahlkampfstrategen fast täglich beraten haben

Im September musste Facebook einräumen, dass die Firma im Wahlkampf 2016 russisches Geld für kontroverse politische Kampagnen angenommen hat. Brad Parscale, der Social-Media-Stratege Trumps, brüstete sich ganz offen damit, dass Facebook-Ingenieure sein Team im Wahlkampf fast täglich in Facebook-Fragen berieten. Kurzum, es ist endgültig klar, dass Facebooks "offene und vernetzte Welt" kaum transparent, aber mit obskuren Kreisen offenbar hervorragend vernetzt zu sein scheint.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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