Europäische Kulturhauptstadt Pilsen 2015:Adrenalinstoß vor dem Glockenläuten

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Die bisher größte Videoprojektion in der Geschichte Tschechiens: Pilsen beim Start ins Jahr als Kulturhauptstadt Europas am 17. Januar 2015. (Foto: Vaclav Svab)

Am Ende läuteten die neuen Glocken der Kathedrale zum ersten Mal. Doch davor mussten Tausende Zuschauer eine Showeinlage über sich ergehen lassen, die ihre Nerven strapazierte: Das tschechische Pilsen startet mit einer großen Show ins Jahr als Kulturhauptstadt Europas 2015.

Mit Straßenumzügen, Konzerten und spektakulärer Akrobatik ist das tschechische Pilsen (Plzeň) ins Jahr als Kulturhauptstadt gestartet. Mehr als 25 000 Besucher verfolgten die große Eröffnungsshow am Samstagabend.

Der Schweizer Arist David Dimitri balancierte zwischen zwei Kirchtürmen auf dem Seil, erstieg die Sankt-Bartholomäus-Kathedrale und läutete symbolisch die Glocken des Wahrzeichens.

In der bekannten Brauereihochburg sind unter dem Motto "Pilsen, öffne dich!" das ganze Jahr über mehr als 600 Veranstaltungen geplant, darunter Zirkusshows und Ausstellungen. Bereits eröffnet ist das "Atelier von Jiří Trnka" über den aus Pilsen stammenden Illustrator und Trickfilm-Pionier. Das Gesamtbudget liegt bei circa 20 Millionen Euro. Die zweite Kulturhauptstadt Europas, das belgische Mons, beginnt eine Woche später mit dem Festivaljahr.

Pilsen wartete mit einer adrenalingeladenen Show auf. Tausende Zuschauer hielten auf dem zentralen Platz der Republik den Atem an, als Hochseilartist Dimitri auf halbem Wege in seiner Bewegung stockte. "Mir wäre fast das Herz stehengeblieben", sagte der Direktor von Pilsen 2015, Jiří Suchánek, örtlichen Medien.

In gelöster Stimmung: David Dimitri erklärt in Pilsen, wie es ihm bei seiner Bravourleistung erging. (Foto: Paul Katzenberger)

Wind sei die größte Gefahr, hatte der 51-jährige Dimitri im Vorfeld gesagt. Er habe Petr Forman, den Künstlerischen Leiter von Pilsen 2015, sicherheitshalber gefragt, ob man die Veranstaltung nicht verschieben könne, wenn der Wind nicht mitspiele, witzelte er, nachdem er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Das regnerische Wetter, das während der Veranstaltung herrschte, sei hingegen kein Problem gewesen. Am Ende läuteten die vier neuen Glocken der Kathedrale wie geplant - Ersatz für die im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzenen.

Partylaune bis in den frühen Morgen

Begleitet wurde die Zitterpartie von der "Symphonie der Glocken", die der Komponist Marko Ivanović eigens geschrieben hatte. Tschechiens bisher größte Videoprojektion auf 5000 Quadratmetern beleuchtete die Fassaden. "Wir zeigen im Schnelldurchlauf die Geschichte der Stadt", erklärte Forman. Darunter waren Fotos aus Nazi-Besatzung, Befreiung durch die Amerikaner, Kommunismus und jüngster Vergangenheit.

Zum Abschluss sang die tschechische Kabarett-Legende und gebürtige Pilsner Jiří Suchý (83) einige seiner Hits.

In den Klubs und Kneipen der Stadt herrschte bis in den Morgen Partylaune. Tagsüber hatten die Pilsener trotz regnerischen Wetters mit bunten Straßenumzügen gefeiert. Kleinkünstler auf Stelzen und Tänzer amüsierten die Besucher. Zu den Attraktionen zählte auch eine Bar aus Eis.

Die Großbrauerei Pilsener Urquell öffnete ihre Tore und historischen Keller. Fassbinder zeigten dort ihr althergebrachtes Handwerk. Der Bayer Josef Groll hatte in der Stadt 1842 das erste untergärige Pils der Welt gebraut.

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