Ein Klassiker:Wüste der Wörter

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Unsterbliche Konstellation: Krazy Kat himmelt die Maus Ignatz an, die ihr als infamen Liebesbeweis immer nur Ziegel an den Kopf wirft. George Herrimans klassische "Krazy Kat"-Storys gibt es nun gesammelt als Buch-Block beim Taschen-Verlag.

Von Fritz Göttler

Der größte Fan war William Randolph Hearst, der große amerikanische Zeitungsverleger war verrückt nach "Krazy Kat" und immer bereit, dessen Schöpfer George Herriman zu fördern. Man kennt Hearst nicht unbedingt als progressive kulturelle Kraft, Orson Welles hat ihn quasi unsterblich gemacht, als er seine Figur des "Citizen Kane" in seinem gleichnamigen Film an ihm orientierte. Hearst gab George Herriman, geboren 1880 in den Südstaaten, einen Vertrag auf Lebenszeit, räumte ihm Platz ein in seinen Zeitungen, auch als die Begeisterung für die Comicstrips schwand - die tatsächlich anfangs mal Streifen auf den Zeitungsseiten waren, bis sie, des Erfolges wegen, ganze Seiten okkupieren durften. Und half so mit, einen Comic-Monolithen des 20. Jahrhunderts zu schaffen.

Herrimans Strips spielen unerschöpflich eine unsterbliche Konstellation durch. Krazy Kat, die Maus Ignatz anhimmelt und von der - ein infamer Liebesbeweis - immer nur Ziegel an den Kopf geschmissen bekommt, und als Dritter der Hund Offissa Bull Pupp, der die Maus wegzusperren versucht und offenbar eine Neigung zu Krazy Kat verspürt.

Alexander Braun hat nun die kompletten Sonntagsseiten in Farbe zwischen 1935 und 1944, Herrimans Todesjahr, zusammengestellt und ihnen eine pralle, angenehm irrlichternde Einleitung vorangestellt, ein Taschen-Verlag-Brocken, der jede Ziegelsteindimension übersteigt. Die Welt ist aus den Fugen in diesen Comics, die Hintergründe wechseln von Bild zu Bild, surreale Wüstenfelsen, Ziegelmauern, das Gefängnis, die Logik der Handlungen ist unbeirrbar grotesk, die Sprache kalauert wild. Amerikanische Avantgarde, parallel dazu gibt es in Europa den Dadaismus, später dann natürlich René Magritte, dessen Oszillieren zwischen Realität und Abbildung bei Krazy Kat schon fröhliche Urständ feiert. Zu den Fans der roaring twenties zählten F. Scott Fitzgerald, Gertrude Stein, Chaplin, Jackson Pollock, Frank Capra, der Dichter E. E. Cummings hatte in seinem Studentenzimmer in Harvard eine Wand mit Krazy-Kat-Comics beklebt.

Einer der schönsten Strips testet die Souveränität der Folksongs. Krazy Kat singt hingebungsvoll "Oh, a sun is shining bride on my old Kentokkil homes ..." "Woher weißt du, dass die Sonne dort scheint?", fragt die Maus kritisch, und "Wieso nennst du es dein Haus?" und "Warst du je in Kentucky?" Und langt dabei spontan nach einem Ziegel ...

Alexander Braun (Hrsg.): George Herrimans Krazy Kat. Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe 1935-1944. Taschen , Köln 2019. 632 S., 150 Euro.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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