Ein Aufsatz:Glaubenskrieg

Lesezeit: 2 min

Der Historiker Johann Kirchinger beschreibt, wie sich in dem Dorf Pyrbaum in der westlichen Oberpfalz Protestanten und Katholiken das Leben schwer machten und die Köpfe einschlugen. Heute leben sie friedlich miteinander.

Von Rudolf Neumaier

Heute leben in der oberpfälzischen Marktgemeinde Pyrbaum Protestanten und Katholiken friedlich miteinander. Kommen zum Beispiel Motorradfahrer, um ihre heißen Öfen segnen zu lassen, oder ist ein Seniorenzentrum zu eröffnen, dann treten der evangelische Pfarrer und sein katholischer Kollege gemeinsam auf. Es gab Zeiten hier, da war eine solche Ökumene vollkommen unvorstellbar. Protestanten und Katholiken verfluchten sich nicht nur, sie schlugen sich auch die Köpfe ein.

Wie unterm Brennglas lässt sich in diesem Dorf zwischen Nürnberg und Regensburg beobachten, was geschieht, wenn es eine geschlossene Religionsgemeinschaft plötzlich mit Andersgläubigen zu tun bekommt. Der Historiker Johann Kirchinger hat den Konflikt untersucht, der Mitte des 18. Jahrhunderts Pyrbaum erschütterte. Sein Beitrag bildet einen glanzvollen Abschluss des von Tobias Appl und Manfred Knedlik herausgegebenen Bandes "Oberpfälzer Klosterlandschaft", soeben erschienen im Regensburger Pustet-Verlag ( 327 Seiten, 34,95 Euro).

Pyrbaum war unter seinen Landesherren, den Reichsgrafen von Wolfstein, durch und durch protestantisch. Als das Adelsgeschlecht im Jahr 1740 ausstarb, kam es unter die Verwaltung des durch und durch katholischen Kurfürstentums Bayern. Und weil der durch und durch katholische Verwalter des Kurfürsten natürlich auf keinen Fall in einen evangelischen Gottesdienst gehen und sich von andersgläubigen Bediensteten das Essen servieren lassen wollte, bekam er zwei Kapuziner-Patres zur Seite und sein eigenes katholisches Gesinde.

Man muss es geschickt anstellen, wenn man den kleinen Finger bekommt und so zügig wie möglich die ganze Hand erobern will. Und die Mönche waren geschickt. Natürlich brauchten sie erst mal eine adäquate Unterkunft und eine Kirche. Die Hofkammer in München half gern. Weil die Beamten, Dienstboten und Tagwerker Zuwachs und vor allem reichlich Nachwuchs bekamen, brauchten die Neu-Pyrbaumer bald eine eigene katholische Schule und einen eigenen Friedhof. Die Alt-Pyrbaumer beklagten sich heftig.

Mit Trommeln und Trompeten marschierten sie durch den Ort

Johann Kirchinger spricht von lupenreiner katholischer Peuplierungspolitik. Im wenige Kilometer entfernten Sulzbürg gab es ähnlichen Ärger: Beim Streit um ihre Schlosskirche kündigten die einheimischen Protestanten an, dass "die Sache ohne Blutvergiessung nicht vorgehen" werde. Erstmals kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen den kurfürstlichen Amtsknechten und protestantischen Bauern. Als die Sulzbürger nach langem Ringen ihre Kirche zurückbekamen, führten sie diese Entwicklung im Überschwang auf persönliche Interventionen des preußischen Königs zurück. Friedrich II. selbst hatte nicht eingegriffen - jedoch hatten seine Gesandten am Immerwährenden Reichstag im nahen Regensburg und andere protestantische Diplomaten den Sulzbürgern so öffentlich ihrer Unterstützung versichert, dass es auch der kurbayerische Verwalter vernahm. Er fügte sich.

In Pyrbaum setzten sich die Konflikte über mehrere Jahre hinweg fort. Der Fall gibt ein beredtes Beispiel dafür ab, dass nach der Reformation die Jesuiten nicht allein, sondern auch die Kapuziner darum kämpften, die Menschen wieder katholisch zu machen. Und das mit allen denkbaren Frömmeleien und Wundermitteln. Den Pyrbaumern waren schon die üblichen Prozessionen zu Fronleichnam ein Dorn im Auge. Die Katholiken aber marschierten viel öfter mit Trommeln und Trompeten durch den Ort - sie ließen's auch im Wirtshaus krachen. Und dann errichteten sie auch noch auf dem Friedhof weithin sichtbar ein Kruzifix "mit dem schmerzhaften Mutter-Gottes-Bildniß", für die Protestanten eine fürchterliche Provokation, denn sie verachteten den Heiligen- und Marienkult.

Mit einem schon damals altbewährten Kunstgriff lockten die Kapuziner Katholiken aus anderen Gemeinden an und brachten Lutherische dazu, ihre Konfession zu wechseln: Sie errichteten eine Wallfahrt und ließen - angebliche - Wunder geschehen. Mühselige und Beladene pilgerten nach Pyrbaum. Kirchinger fand in einem Archiv ein Verzeichnis von 21 Gebetserhörungen in der Mater-Dolorosa-Kirche von Pyrbaum. Für die protestantische Bürgerschaft bedeutete das erhebliche Einbußen - aber nur solange sie sich von den neuen Mitmenschen abschottete. Je besser sich die Glaubensgemeinschaften in Pyrbaum arrangierten, desto besser gedieh ihr Gemeinwesen.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: