Ein Aufsatz:Bubbles

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Die Werke des Philosophen Peter Sloterdijk werden zunehmend ins Englische übersetzt. Sein britischer Kollege John Gray kann damit nicht viel anfangen. In der "New York Review of Books" begründet er das ausführlich.

Von Willi Winkler

Dass der Prophet nichts gilt in seinem Vaterland, ist eine alte Klage und mindestens ebenso lang schon falsch. Rüdiger Safranskis Goethe-Biografie wurde hierzulande geradezu entgeistert gelobt, während die New York Times dem Autor zwar zugab, er schreibe "schwungvoll", das Lob aber sofort zurücknahm und behauptete, es fehle ihm an "Klasse und Raffinesse", dafür gebe es übergenug Natur, Religion, Ästhetik, Politik. Safranski habe seinen Gegenstand so erfolgreich "pulverisiert", dass einem die Lust vergehe, die "Wahlverwandtschaften" oder die Gedichte Goethes zu lesen.

Nun hat die Zeitschrift New York Review of Books das Werk Peter Sloterdijks einer ähnlich strengen Lektüre unterzogen. Wie es sich gehört, stellt der Rezensent John Gray seinen Gegenstand ausführlich vor. Er staunt über den Umfang von Sloterdijks Werk (Tausende Seiten, mehr als fünfzig Titel), das in jüngster Zeit zunehmend ins Englische übersetzt wird, er erwähnt seinen Aufenthalt beim Osho in Indien und sein Wirken im "Philosophischen Quartett", vergisst nicht seine Skepsis gegenüber der Flüchtlingspolitik Angela Merkels und weiß auch, dass ihm Marc Jongen, heute AfD-Ideologe, eine Zeit lang als Assistent diente. Sogar der vielfach verwertbare thymós kommt zur Sprache. Gray scheint sich gut informiert zu haben, selbst von Sloterdijks kuriosem Vorschlag, die Steuerpflicht abzuschaffen, hat er gehört.

Was ihn aber noch mehr verwundert, ist die Sprache des Philosophen. "Er hat sich einem quälend komplizierten Stil verschrieben, der alle erkennbaren Ideen verdunkelt, die sich womöglich in seinen Arbeiten finden." Genüsslich zitiert Gray aus dem, was die Sloterdijk-Übersetzer ins Englische zu retten versuchen, schüttelt kurz den Kopf und sagt: "Was das heißen soll, lässt sich nur raten." Aber ob es da so viel zu raten gibt? Selbst die drei starken Bände "Sphären", mit dem seine Seifenblasen bewundernden Knaben von Millais am Anfang, sind für Gray nur eine "übergroße Sammlung von Gedanken und Bildern" und keine Theorie. Die Argumentation trete zurück, weil es dem Autor wichtiger sei, "mit einer abstrusen Terminologie und selbsterfundenen Neologismen zu hantieren". Verbindende Partikel behaupteten oft eine Logik, wo es sich im Grunde nur um Wortspielerei handle. Das verbinde ihn mit Slavoj Žižek, für Gray wie Sloterdijk ein direkter Nachfahr Martin Heideggers.

John Gray ist 1948 geboren, damit ein Jahr jünger als Sloterdijk und wie er Philosophieprofessor (beide emeritiert, aber ungebrochen aktiv). Während Gray sich von links nach rechts und wieder zurück bewegte, hat Sloterdijk die Abkürzung von Nietzsche zu Heidegger genommen. Daher ist die Rezension auch ein Beispiel für den Streit zweier Schulen: Auch wenn der Brite Gray sich in seinem Buch "Von Menschen und anderen Tieren" gar nicht so sehr von Sloterdijks berüchtigter Idee des "Menschenparks" unterscheidet, würde er sich immer als angelsächsischer Pragmatiker bezeichnen. Sloterdijk ist bei allem intellektuellem Anspruch doch eher Rhapsode.

Dann holt der britische Professor zum finalen Schlag gegen den deutschen aus. Es sei möglicherweise ein Fehler, Sloterdijks politische Ideen, vage, wie sie zumeist sind, ernst zu nehmen. "Mit der moralischen Autorität, die er selbstbewusst beansprucht, folgt Sloterdijk einer europäischen professoralen Tradition." Ein Max Weber sei er deshalb noch lange nicht, sondern nur ein reagierender Denker, der den wechselnden Zeitstimmungen Ausdruck verleiht. "Alles deutet darauf hin, dass er dem Zeitgeist weiter nachlaufen wird und unterwegs seine Blasen fabriziert."

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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