Dokumentation:Unzertrennlich über die Grenze

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Auf ihrer "großen Buben-Abenteuerreise" kamen Sebastian Bezzel (links) und Simon Schwarz auch ins oberbayerische Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

Sebastian Bezzel und Simon Schwarz reisen für eine vierteilige BR-Serie zu den Rändern Bayerns, darüber hinaus und wieder zurück. Dabei entdeckt das schlagfertige Duo aus den Eberhofer-Krimis viel Verbindendes

Von Michael Zirnstein

Zu Besuch in der Spirituosen-Brennerei sind die beiden ganz in ihrem Element. Unter dem Einfluss oder auch nur in der Erwartung der Edelbrände verwandeln sich Sebastian Bezzel und Simon Schwarz in den Eberhofer Franz und den Birkenberger Rudi, zumindest ein bisschen tun sie so. "Eine Schnapsschule! Die erste Schule, auf der ich nicht versage", sagt Bezzel/Eberhofer. Und sein Kumpel Schwarz/Birkenberger sieht sich von den Kupferrohren und Ventilen der Destille an den Kriegsfilm "Das Boot" erinnert: "Schotten dicht!", ruft er. Ja, zu dieser Maschine könne man eine Liebesbeziehung aufbauen, stimmt ihm Bezzel bei.

So ähnlich kennt der Fan die beiden Knallköpfe aus den Eberhofer-Krimis, den rauschhaften Verfilmungen der Provinzpolizisten-Romane von Rita Falk. Die sind in ihrer comicartigen Überdrehtheit ziemlich einzigartig. Bezzel und Schwarz sind als schlagfertiges Duo eine Marke geworden - über den Film hinaus. Auch auf den Kino-Touren durch Deutschland, auf denen sie die neuen Teile den Fans persönlich vorstellten, drehten die Darsteller ordentlich auf. Der ostwestfälische Filmproduzent Torsten Berg sah ihrem Gefrotzel amüsiert zu. Und das immer wieder, denn seine Frau Lisa Maria Potthoff spielt in den Filmen Franz' Freundin Susi. Daraus ließe sich etwas machen. Könne man nicht den in Garmisch geborenen Bezzel und den Wiener Schwarz auf eine echte Abenteuerreise an die Ränder Bayerns schicken: "Bezzel & Schwarz - Die Grenzgänger"?

Eine gemeinsame Drehzeit für die vielbeschäftigten Schauspieler zu finden, war nicht leicht, klappte aber, weil die beiden die Idee prima fanden. Schließlich sind sie auch in echt Freunde und nehmen sich auch privat gerne auf die Schippe seit ihrem ersten gemeinsamen Dreh 2005 zu Marcus H. Rosenmüllers Bobfahrerklamotte "Schwere Jungs". Humor verbindet. Beim Bayerischen Rundfunk war man eh gleich hin und weg von der Idee, man giert dort seit Franz Xaver Gernstl nach Reisereportagen im Kleinbus durchs Bayernland. Wobei die Programmverantwortlichen keinerlei Parallelen erkennen wollen. Schließlich sei Gernstl eher mit sich selbst beschäftigt, Bezzel aber mehr mit Schwarz (und umgekehrt). Beim BR reiht man das also vollkommen neue Format ins Genre "Factual Entertainment" ein: Die Fakten, das sind vorher von der Redaktion für interessant befundene Menschen, und auf die lässt man dann die beiden Entertainer als "Eyecatcher" und Nachwuchsreporter los. "Zwei Typen, die vom Ernsten schnell ins Lustige gehen können", so Berg.

Das fängt oft mit unbeholfenem Händeschütteln und ebensolchen Fragen an ("Und bei dir kriegen wir also was zu essen?"), und wird vor allem dann eine Gaudi, wenn die beiden unter sich sind. Wenn etwa im österreichischen Ebbs der Schnapsbrenner Alfred Schmider im Hintergrund irgendwas werkelt, während die beiden schon hochgeistige Gespräche führen und mit viel "Kchr"-Lauten den Tiroler Dialekt zu imitieren versuchen - was Schwarz bei dem Wort Birne kaum gelingen kann. "Depp!", raunzt ihn Bezzel an.

Nun ist das alles aber nicht nur Klamauk, Saufen und Völlerei (ein Schwerpunkt wie in "Griesnockerlaffäre", "Sauerkrautkoma", "Schweinskopf al dente"und so weiter). Das liegt vor allem am Ideengeber. Der studierte Soziologe und Politikwissenschaftler Torsten Berg stemmt Produktionen mit Anspruch. Zum Beispiel suchte und fand er "Die dunkle Seite des Deutsch-Rap" oder - den Intendanten der Komischen Oper in Berlin, Barrie Kosky, begleitend - für 3Sat den aktuellen Judenhass in Deutschland. Für den BR blickt der Bielefelder nun mit dem Düsseldorfer Regisseur Stefan Kauertz und einem Kamerateam aus Berlin-Kreuzberg auf die Bayern und ihre Nachbarn, um herauszufinden, was sie verbindet oder trennt. Die Quintessenz am Ende jeder der vier Reisen in den Süden, ostwärts an die tschechische Grenze, in den Norden zum lange unpassierbaren grünen Band nach Thüringen und in den Westen hinüber nach Hessen und zurück sei, so Regisseur Kauertz: "Die Grenze ist nur ein Strich. Die Leute links und rechts daneben sind sich ähnlicher als im Norden oder Süden ihres Bundeslandes." Und das, obwohl etwa in Ebbs Tirolerisch gesprochen wird und in Oberaudorf fünf Minuten und eine Zollkontrolle weiter Oberbairisch. In der ersten Folge "Süden", die am Montag, 1. Juli, zur Primetime um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird und von 28. Juni an in der BR-Internet-Mediathek zu sehen ist, überqueren Bezzel und Schwarz vier Mal die Grenze. Zu Lande im Allgäu mit dem ersten irakischen Flüchtling, der im Alpenverein den Wanderführerschein gemacht hat, in der Luft mit dem Gleitschirm; sie fahren mit dem Trompeter Franz Hackl junior am Achensee lang nach Bad Tölz, wo der meist in New York lebende Jazzstar mit der Unterbiberger Hofmusik zu einem orientalisch-bayerischen Stück improvisiert. Von der "kosmopolitischen Blasmusik" sind alle beseelt, jedoch bekommt der Zuschauer in den vollgepackten 45 Minuten nur ein paar Augenblicke des arrangierten Konzerts mit, so auch vom "Bajazzo" des Ebbser Männerchores. Gernstl ließ sich da mehr Zeit. Vom "Sendung-mit-der-Maus-Faktor" beim Bierbrauen oder Fischen am Waginger See haben vor allem die beiden Grenzgänger etwas gehabt: "Ich habe mich schon immer gefragt, was Malz ist", sagt Bezzel. Jetzt weiß er es (angetriebenes, am Wachstum gehindertes Getreide). Dass die beiden nun auch "Boderline"-Journalisten sind, sei gar nicht weit entfernt von ihrem Schauspielerberuf, in dem sie ja auch ein bisschen sich selber spielen dürfen. "Wir beobachten da auch Leute und hören ihnen zu", erklärt Schwarz, "vielleicht fragen wir also etwas anders als echte Journalisten, weil wir uns in den Menschen reinmorphen können." Ihre Prominenz sei dabei eher ein Türöffner gewesen als ein Hindernis, sagt Bezzel und berichtet von einer Begegnung mit einem Fischer am Waginger See: "Ihr seid's die Rosenheim Cops!", habe der sie begrüßt. "Das war ein guter Anfang, weil dem war's wurscht, wer wir sind."

© SZ vom 17.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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