Dokumentarfilm:Herr Schmitz feiert eine Party

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"Caught in the Web" ist ein Dokumentarfilm über den Internet-Guru Kim Dotcom, der mit seinem Sharing-Dienst Megaupload reich wurde und mit Promis feierte - bis die Polizei vor der Tür stand.

Von Hakan Tanriverdi

Er sei "der meistgesuchte Mann des Internets", heißt es in der Werbung für den Dokumentarfilm "Caught in the Web" über den deutschen Internet-Unternehmer Kim Dotcom. Auch wenn der Superlativ etwas übertrieben ist, so erzählt die Regisseurin Annie Goldson darin eine sehenswerte Geschichte über eine der schillerndsten Persönlichkeiten, die das digitale Zeitalter bislang hervorgebracht hat.

Dotcom wurde in Deutschland als Kim Schmitz geboren und lebt seit Jahren in Neuseeland. Öffentlich kennt man ihn vor allem von Partyfotos auf Yachten, im Pool, mit Bruce Willis oder Ronaldo (dem Brasilianer) im Arm. In den Neunzigerjahren erhielt er eine Bewährungsstrafe, "wegen Computerbetrugs", wie er einst im Interview mit Harald Schmidt sagte. Schmidt fragte: "Was kann man da klauen?", Dotcom erwiderte: "Daten, Informationen, Wissen, Macht."

Die Filmemacherin bekam Zugriff auf Dotcoms Privatarchiv, recherchierte akribisch und sprach mit Dutzenden Beteiligten. So ist eine Dokumentation entstanden, die durch die Nähe zum Protagonisten zu erklären versucht, wie der Mensch Dotcom tickt. Aber Goldson bleibt distanziert genug, um keine blinde Lobeshymne zu drehen. Zu Beginn sind Videoaufnahmen zu sehen, bei denen man im ersten Moment nicht unterscheiden kann, ob das Anwesen eines Drogenkönigs gestürmt wird oder vielleicht gar das eines international gesuchten Terroristen. Im Januar 2012 drang die Polizei in den Wohnsitz von Kim Dotcom in Neuseeland ein. Pistolen und Sturmgewehre gezückt, durchsuchten sie die Villa nach dem Mann, der in seinen Panikraum geflüchtet war. Es handelte sich aber weder um einen Drogenbaron noch um einen Top-Terroristen, sondern, banal gesagt, um einen Mann, der einen Dienst angeboten hat, mit dem man einfach und kostenlos an Musik und Filme kam.

Dotcom wurde mit seinem Dienst Megaupload reich. Kinofilme und Musikalben gab es dort kostenlos zum Herunterladen. Urheberrechte? Waren ihm egal (Dotcom sagte über Jahre, dass sein Dienst geschütztes Material schnell gelöscht habe). Er kaufte sich in Neuseeland ein Anwesen im Wert von mehr als 20 Millionen Euro, inklusive drei Betten, die angeblich jeweils knapp 100 000 Euro kosteten.

Vor allem diese Aufnahmen sollen die Zuschauer auf die Seite von Dotcom ziehen. Aber man kann Dotcom aus zwei Perspektiven betrachten. Einerseits als Visionär, der aus Ideen - zum Beispiel der Cloud - erfolgreiche Produkte entwickelt hat. Andererseits als schamlosen Dieb, der Urheberrechte bewusst ignorierte und Dienste entwickelte, über die er sich durch die Werke anderer bereicherte. Diese Sicht haben zum Beispiel die Ermittler des FBI. Sie wollen, dass Dotcom, mittlerweile neuseeländischer Staatsbürger, an die USA ausgeliefert wird. Der Schaden, den er verursacht habe, belaufe sich auf 500 Millionen US-Dollar. Dass keine dieser Perspektiven den harschen Polizeieinsatz rechtfertigt, ist eine der Botschaften des Films. Der Rechtsstreit rund um diesen Polizeieinsatz auf seinem Anwesen dauert bis heute an.

Kim Dotcom: Caught in the Web ist in Deutschland bei iTunes und Vimeo als Video on Demand verfügbar. Infos unter kimdotcom.film.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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