Doku-Spiel-Film:Die Unsichtbaren

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In Berlin überlebten etwa 1700 untergetauchte Juden den Nationalsozialismus. Der Regisseur Claus Räfle inszeniert ihre Geschichte in einem Film - mit Zeitzeugen.

Von Martina Knoben

"Flitzen", so nannten sie es, wenn sie vor den Nazis untertauchten. Vier Berliner Juden erzählen in dem Dokumentar-Spiel-Film "Die Unsichtbaren", wie sie in den Jahren der NS-Herrschaft der Deportation entgingen: mit blond gefärbten Haaren als Arierin getarnt, als angebliche Kriegerwitwe angestellt als Dienstmädchen bei einem hochrangigen Wehrmachtsoffizier; versteckt in Schlafzimmern, Schränken oder Kellern oder als Passfälscher, der sich selbst und anderen lebensrettende Papiere ausstellte.

Es beeindruckt, wie lebhaft und gar nicht verbittert Hanni Lévy, Ruth Gumpel, Eugen Friede und Cioma Schönhaus von ihrer Zeit im Untergrund berichten. Ihre Erzählungen hat der Regisseur Claus Räfle reinszeniert, mit Max Muff, Alice Dwyer, Ruby O. Fee und Aaron Altaras in den Rollen der jüdischen Jugendlichen. Der vor kurzem gestorbene Andreas Schmidt ist in seiner letzten Rolle als hilfsbereiter Deutscher zu sehen.

Die Doku-Spiel-Mischform des Films ist äußerst ungewöhnlich. Erst fürchtet man das Schlimmste - Holocaust! - tatsächlich gleiten Fakten und Fiktion sinnvoll und oft kaum merklich ineinander. Die inszenierten Passagen machen den Film spannend, was auch deshalb legitim ist, weil das Leben im Untergrund für die Jugendlichen selbst ein großes Abenteuer war. Als etwa die Gestapo an Hanni Lévys Wohnungstür klopfte, um sie abzuholen, öffnete sie einfach nicht. "Wie das weitergehen sollte? Keine Ahnung." So unbekümmert ist man, wenn man 17 ist.

Die Gespräche mit den realen Personen verankern die Inszenierung in der Wirklichkeit. Und die ist unglaublich genug: So nahm eine ihr völlig unbekannte Kinokassiererin Hanni Lévy am Ende des Krieges auf. Und auch der hochrangige Wehrmachtsoffizier wusste offenbar, dass seine Dienstmädchen Jüdinnen waren. Rund 1700 untergetauchte Juden überlebten die Nazizeit in Berlin - dieser Film erzählt ein wenig bekanntes Kapitel deutscher Geschichte. Mit den "Unsichtbaren" des Titels sind allerdings nicht nur sie gemeint, sondern auch die Deutschen, die die Untergetauchten unterstützten. Dass die vier Protagonisten des Films überlebten, verdanken sie einer Kette von Unwahrscheinlichkeiten. Die Menschlichkeit deutscher Nachbarn und Zufallsbekanntschaften gehörten in diesen Zeiten dazu.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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