Dok-Fest:Szenen eines Szenetempels

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Peter Heller hat einen Film über die ereignisreiche Geschichte eines der ältesten Kinos der Stadt gedreht. "Maxim leben" erinnert auch an die Münchner Kulturlandschaft von einst

Von Bernhard Blöchl

Ein bisschen seltsam dürfte das schon werden. Bei der Premiere des Films an diesem Donnerstag sitzen die Zuschauer im Kino, um auf der Leinwand jenes Kino zu sehen, in dem sie sitzen. Von innen, von außen, in frühen Jahren, in späten, vor der Renovierung und danach. Sie sehen ratternde Projektoren, diskutierende Besucher und Regisseure mit Esprit. Sie sehen das Maxim im Neuen Maxim und auch das Neue Maxim im Neuen Maxim. "Maxim leben - ein Altes Kino erzählt" heißt der selbstreferenzielle und persönliche Film von Peter Heller, und es ist nur konsequent, dass hier freilich nicht das Kino erzählt, sondern der Regisseur. Im Film und nach der Premiere live im Kino.

Hellers Film beginnt überraschend, mit Szenen aus der kolumbianischen Satire "Vampire des Elends" aus dem Jahr 1978, um dann Sigi Daiber ins Bild zu rücken, der zu ebenjener Zeit im Maxim-Kino angefangen hat. Später öffnet sich der Fokus auf die Nachbarschaft in Neuhausen, Hellers "Kiez", wie er sagt, und man fragt sich: Worum geht es dem Regisseur hier gleich noch mal? Geht es ihm um inspirierende Filme von gestern, geht es ihm um das Stadtteilkino, das 1912 als "Lichtspieltheater des Westens" im alten Kaufhaus Schottländer eröffnet wurde, geht es ihm um Gentrifzierung in München oder gar seine eigene Laufbahn, um die Entstehung seiner Afrika-Filme? Nun, dem 71-Jährigen geht es schlicht um all das, denn all das hängt miteinander zusammen.

"Ich bereue nichts", sagt Sigi Daiber. (Foto: Peter Heller/Filmkraft Filmproduktion)

Der Film ist mehr als das Porträt eines Kinos, das zu den ältesten in München gehört und das Ende 2016 mit neuen Betreibern, neuem Aussehen und neuer Ausrichtung als Neues Maxim wiedereröffnet wurde. Die Dokumentation ist auch ein Film über das Filmemachen und über den Wandel der Münchner Kulturszene über die Jahrzehnte hinweg. Eine leicht melancholische Hymne auf jene Zeit, als das politische Kino noch Kraft hatte, die Welt viel mehr noch über Filme erfahrbar war und Kreative sich zusammenschlossen, um an gemeinsamen Zielen zu arbeiten.

Die Protagonisten sind vorrangig die, die Kenner der Maxim-Geschichte erwarten. Da ist Sigi Daiber, der 40 Jahre lang Filme vorführte, die aufrüttelten. Das meditative französische Essay "Sans soleil" (1983) von Chris Marker zum Beispiel, über das Peter Heller sagt: "Für mich war danach alles anders." Oder Peter Kriegs "Septemberweizen" aus dem Jahr 1980, ein "Meisterwerk des Dokumentarfilms". Dann ist da Heller selbst, der Absolvent der Filmhochschule, der lange jedes Jahr einen Film im Maxim zeigte. "Das Maxim wurde ein Ort des Lernens", sagt er, ein Treffpunkt und ein "Biotop und Szenetempel". Die Filmemacher Thomas Frickel, Nicolas Humbert und Christoph Boekel tauchen auf, es fallen Sätze wie: "Das Maxim war eine Insel dessen, was wir wollten. Also unsere Südsee" (Filmkritiker Alf Mayer).

Vier Jahrzehnte lang hat Daiber das Maxim-Kino in der Landshuter Allee betrieben, hartnäckig verweigerte er sich der Modernisierung. (Foto: Filmkraft Filmproduktion)

Später werden die Zuschauer möglicherweise einen weiteren Aha-Moment erleben. Denn der Film taucht auch in die Anfangsjahre des Dok-Fests ein, jenes Festivals, in dessen 33. Ausgabe "Maxim leben" nun uraufgeführt wird. Gudrun Geyer, Mitbegründerin, ehemalige Leiterin und lange Daibers Partnerin, erzählt von bedeutenden Filmabenden und den 30 000 Mark, die es damals als Subvention des Kulturreferats gegeben habe. Frickel sagt: "Das Maxim war die Keimzelle des Dok-Fests". Auch das Engagement der "AG Dok" zur Förderung des Dokumentarfilms in den Achtzigerjahren streift Heller.

Kritik an Daiber, der zentralen Figur, gibt es auch, gab es immer. Peter Heller, dem das als Weggefährte sichtlich schwer fällt, tut gut daran, auch Daibers Verweigerungshaltung zu thematisieren und Kritiker zu Wort kommen zu lassen, was seine Modernisierungs- und Digitalisierungsmüdigkeit betrifft. Er zeigt den langjährigen Betreiber ("Ich bereue nichts!"), wie er von "feindlicher Übernahme" spricht und seinen Nachfolgerinnen um Anne Harder "gute Geschäfte" wünscht.

Sigi Daibers Weggefährte Peter Heller (links neben Daiber) blickt in seinem Film zurück, aber auch nach vorn. (Foto: Peter Heller/Filmkraft Filmproduktion)

"Maxim leben" ist ein inspirierender Film darüber, wie Kino und Filmemachen in München einst war und sein durfte. Im besten Fall kann er Impulse geben zum Erstarken einer neuen cineastischen Subkultur und dem Fortbestand eines besonderen Stadtteilkinos.

Maxim leben - Ein Altes Kino erzählt , Premiere am Do., 3. Mai, 19 Uhr, Neues Maxim, weitere Termine: Mo., 7. Mai, 17 Uhr, City; Sa., 12. Mai, 16 Uhr, HFF

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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