Digital:Nicht unterhaltsam genug

Lesezeit: 2 min

Jedes Mal, wenn Medien über einen amerikanischen Drohnenangriff berichteten, erhielten Nutzer eine Push-Nachricht. Nun hat Apple seine App verbannt, die solche militärischen Aktionen verzeichnete.

Von Simon Hurtz

Sie sind die perfekten Mörder. Lautlos und unauffällig nähern sie sich dem Opfer, das nichts von der drohenden Gefahr mitbekommt. Am anderen Ende der Welt drückt ein Soldat auf einen Knopf, kurz darauf ist die "Zielperson neutralisiert", wie die Drohnenpiloten es ausdrücken würden. Die US-Streitkräfte haben mit Drohnen Tausende Menschen getötet, der Großteil davon sollen Terroristen gewesen sein. "Wir töten Menschen auf Grundlage von Metadaten", sagte der ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden vor zwei Jahren. Doch nicht immer ist auf die Daten verlass: Hunderte Zivilisten kamen in Obamas Amtszeit im US-Drohnenkrieg ums Leben.

"Metadata" heißt auch eine App, mit der Josh Begley auf die umstrittenen Drohnenangriffe aufmerksam machen will. Seit fünf Jahren versucht Begley, seine App bei iTunes zum kostenlosen Download anzubieten. Insgesamt elf Mal beantragte er die Aufnahme in den App-Store, doch Apple lehnte ab. Am Dienstag, beim zwölften Versuch, schien sich Begleys Hartnäckigkeit endlich auszuzahlen. Nachmittags twitterte er: "Meine iPhone-App ist zurück. Hier könnt ihr sie herunterladen", und verlinkte auf Apples App-Store.

Auf der Investigativ-Website The Intercept schrieb Begley: "Angesichts eines Präsidenten, der das Drohnenprogramm der Obama-Ära abermals ausweiten will und Teile des Jemens und Somalias als 'Gebiete aktiver Feindseligkeiten' bezeichnet, bin ich froh, dass sich Apple entschieden hat, eine Nachrichten-App nicht mehr länger zu blockieren." Doch die Freude währte nur kurz. Bereits am Abend postete Begley kommentarlos einen Screenshot mit der Nachricht von Apple: "Deine App Metadata wird nicht mehr angeboten."

Was genau Apple an Metadata auszusetzen hat, ist unklar. Das Unternehmen kommentiert den Fall nicht. Die Funktion der App ist eigentlich harmlos: Jedes Mal, wenn Medien über einen amerikanischen Drohnenangriff berichten, erhalten Nutzer eine Push-Nachricht. Sie sehen den Ort auf einer interaktiven Karte und erfahren, wie viele Menschen dort gestorben sind.

Die App zeigt keine brutalen Bilder oder Videos. Sie informiert nüchtern über die zivilen Opfer und enthält ausschließlich kurze Texte und Ortsmarken. Apple will die Software trotzdem nicht in seinem App-Store sehen. 2012 hieß es, die App sei "nicht nützlich oder nicht unterhaltsam genug". Später monierte Apple, sie sei anstößig und verstoße gegen die iTunes-Richtlinien - obwohl sie lediglich Inhalte von Medien aggregiert, die mit ihren Apps selbst im App-Store vertreten sind.

Zwei Jahre und fünf Versuche später akzeptierte Apple Metadata schließlich doch. Mehr als 50 000 Menschen installierten die App, doch 2015 entschied Apple, die "übermäßig anstößigen und brutalen" Inhalte endgültig zu verbannen. Doch Begley gab nicht auf. Wer ein iPhone kaufe, könne sich damit pornografische Videos und terroristische Propaganda ansehen sowie brutale Spiele installieren. "Moderne Smartphones sind Schaufenster in die Welt, inklusive aller Grausamkeiten", sagt Begley.

Wer sich für Drohnenkriege interessiert, kann etwa auf das Spiel "Drone: Shadow Strike" ausweichen, das "phänomenalste militärische Kriegsspiel mit einer packenden Mischung aus Strategie, rasanten Kämpfen und realistischer Action". Der Hersteller verspricht: "Steuern Sie die besten Drohnen der Welt mit einem Arsenal an Waffen und lassen Sie Feuer regnen!"

Doch über die zivilen Opfer der US-Drohnenangriffe will Apple seine Kunden aus unerfindlichen Gründen nichts wissen lassen. In Googles Play Store ist Begleys App übrigens nach wie vor verfügbar. Wer kein Android-Gerät besitzt, kann auch dem Twitter-Account @dronestream folgen, der alle Meldungen twittert, die in der App angezeigt werden.

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: