Die Schweizermacher:Tratsch-Gefängnis

Es ist der erfolgreichste Film der Schweiz, "Die Schweizermacher" von Rolf Lyssy. Zu seinem Achtzigsten beschwört ein Band ihre Bedeutung - und das Bild einer durchaus wachen, politisch aktiven Schweiz.

Von Fritz Göttler

Die andere Schweiz, die Schweiz als subversiver Ort hat sich immer wieder geoutet, fröhlich, frisch. Im Jahr 1978 zum Beispiel, im Film "Die Schweizermacher", von Rolf Lyssy. 900 000 Zuschauer in der Schweiz, der erfolgreichste Film des Landes.

Am 25. Februar wurde Rolf Lyssy achtzig, im Trubel um einen neuen Volksentscheid zur Abschiebung von Ausländern. Emil Steinberger und Walo Lüönd sind im Film Inspektoren, die in peniblen Hausbesuche klären sollen, ob Leute, die die Einbürgerung beantragten, die Anforderungen, ein Schweizer zu sein, erfüllen. Eine groteske, auch grausame Studie also in Sachen Normalität und zum Normenverhalten. Zu Lyssys Achtzigstem ist ein Sammelband mit Beiträgen von Kritikern, Historikern und Kollegen erschienen, ein aufmerksamer, auch aufmunternder Blick auf ein Land, auf das gern als kleinbürgerlich und reaktionär herabgeschaut wird.

So erzählt Georg Kohler, einer der Herausgeber, von den Siebzigern, die zwar nicht von der 68-Stimmung aufgewühlt wurde, die aber doch bewegt waren, Bürgerprotest, der bis zur Besetzung des Geländes von Kaiseraugst ging, wo ein Kernkraftwerk geplant wurde. Elisabeth Bronfen und Gesine Krüger analysieren, wie Klatsch und Tratsch eine Art Gefängnis im Stil des Panoptikums Benthams errichten. Und der Kollege Xavier Koller erzählt, wie er und Lyssy damals schlecht angesehen waren, weil sie durchaus auch das Theater liebten, dessen Mimen für Hardcore-Cineasten "sprechende Möbelstücke waren, die man ins Bild stellte, damit sie ihre leidigen Texte von sich geben konnten".

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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