"Die Fee" im Kino:Sprit für die Burleske

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In "Die Fee" spinnt sich ein Performance-Trio seine surreale Märchenwelt zusammen - und macht sie zum Spielplatz für Komiker. Schwarze Migranten, Hundeliebhaber und ein Frauenrugbyteam tauchen auf. Und nie darf es an Alkohol mangeln.

Philipp Stadelmaier

Le Havre, die Reißbrettstadt am Atlantik, wird in "Die Fee" zu einem Studio mit hochstilisiertem Dekor. Ein irreales Scheinwerferlicht scheint auf die Geschichte vom Nachtportier Dom (Dominique Abel) und der Fee Fiona (Fiona Gordon). Sie verleiht dem, was nur naive Märchenwelt sein könnte, eine beglückende Ambiguität. So zaubert die Fee Fiona zwar sofort den von Dom gewünschten Motorroller herbei - aber der ist geklaut, und bald wird sie wieder ins psychiatrische Asyl gesteckt.

Es scheint, als seien es eher die Figuren selbst, die sich hier so etwas wie ein "Märchen" ausgesponnen haben, um es, wortkarg und stoisch, mit burleskem Heroismus durchzuspielen. Dominique Abel, Fiona Gordon und der dritte Hauptdarsteller Bruno Romy sind dabei zugleich die Regisseure des Films - ein Performance-Trio, ausgebildet beim berühmten Pantomimen Jacques Lecoq, das hier bereits seinen dritten Spielfilm realisiert.

Die vielen statischen Einstellungen und die feinen, bunten Bildkompositionen schließen die Figuren weder in einer gefälligen Folklore noch in den Zeichen eines entfremdeten Glücks ein. Die unbewegte Frontalität der Kamera gibt der Gruppe im Gegenteil eine Experimentierbühne. Hier können Bewegung und Timing in aller Freiheit immer neu ausprobiert werden, ohne Pointenzwang: Wie etwa in jener langen, ungeschnittenen Einstellung, in der die Distanz zwischen zwei Autos nicht aufhört, sich zu verändern; oder etwa am Anfang, wenn Dom unzählige Male beim Fernsehen gestört wird, bis er schließlich vor der Fee steht. Hier lässt sich alternativ auch ein Guckkastenkino bauen, in dem mit der Tradition des burlesken Genres experimentiert werden kann: Ein Unterwasserballett ruft Erinnerungen an Keatons "Navigator" wach und auch an die submarinen Phantasien und primitiven Filmtricks von Georges Méliès.

So entwirft der Film weniger eine Märchenwelt als den Spielplatz einer Gemeinschaft von Komikern, zu der neben Dom und Fiona noch ein kurzsichtiger Wirt (Bruno Romy), schwarze Migranten auf dem Weg nach England, ein Hundeliebhaber und ein Frauenrugbyteam gehört. Man hilft einander, ob nun bei der Emigration oder bei der Hundesuche. Man versorgt sich, etwa mit einem Baby, das Fiona Dom gebiert, während diesem der Finger verbunden wird.

Die Grundversorgung der Gruppe besteht allerdings aus Fahrzeugen, Benzin und Alkohol. Denn die Burleske und ihre Akteure müssen Energie tanken, um in Bewegung zu bleiben. So werden Dom die ersten beiden Wünsche - ein Mofa und unendlich viel Sprit - sofort erfüllt. Seinen dritten Wunsch verrät er Fiona bis zum Ende nicht - bevor wir die, fern der Heimat, in der letzten Einstellung des Films aufs Meer hinausschauen sehen. Wäre das nicht die ultimative Energieressource der Burleske, die bei all der Gemeinschaft und der Bewegungsfreiheit hier fehlt: wieder fremd in der Welt zu sein, um sich an ihren Grenzen den Kopf einzurennen?

La fée, F/Belgien 2011 - Regie, Buch, Darsteller: Dominique Abel, Fiona Gordon, Bruno Romy. Kamera: Claire Childéric, JF Leforestier. Pandastorm, 94 Min.

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