Deutscher Alltag:Heilig's Festle

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Ostern ist auch für Ungläubige immer ein arbeitnehmerfreundliches Fest gewesen, weil der Herr am Karfreitag starb und die Auferstehung sich bis zum Montag hinzog. Ein langes Wochenende also - doch das muss kein Segen sein.

Kurt Kister

Ostern ist eigentlich nur noch ein Synonym für Urlaub. Mit Weihnachten und Pfingsten verhält es sich nicht wesentlich anders. Wenn einem die Frage gestellt wird: "Was machen Sie zu Ostern?", will der Fragende praktisch nie wissen, ob man in die Ostermesse geht oder Karfreitag fastet. Nein, erwartet wird eher die Auskunft, dass es im April zwar in der Toskana noch kühl sein kann, aber dafür das Licht ganz besonders ist. Und wer es Ostern wärmer haben will, kann ja nach Tunesien fliegen. Da hat die Demokratie oder etwas Ähnliches gesiegt, und es fahren zumindest keine Panzer mehr auf der Straße herum. Auf Djerba war das mit dem Aufstand sowieso eher mau.

Zumindest am Ostersonntag (und natürlich an Weihnachten) kann man sich als Kirchgänger der Illusion hingeben, Deutschland sei noch ein christliches Land, weil an diesen beiden Tagen zumindest all jene in die Kirche kommen, die das Gefühl haben, man sollte ein-, zweimal im Jahr in der Kirche sein. (Foto: dpa)

Etliche, wenn auch nicht viele Menschen sehen im Osterfest immer noch etwas mehr als nur die Agglomeration von Schulferien rund um die Feiertage. Zwar leidet nicht die Religion, gar der Glaube darunter, dass die Gläubigen weniger werden, wohl aber die Kirche. Zumindest am Ostersonntag (und natürlich an Weihnachten) kann man sich als Kirchgänger der Illusion hingeben, Deutschland sei noch ein christliches Land, weil an diesen beiden Tagen zumindest all jene in die Kirche kommen, die das Gefühl haben, man sollte ein-, zweimal im Jahr in der Kirche sein. Das hat mit den "jüdisch-christlichen Wurzeln" unserer Gesellschaft zu tun, die gerade CSU-Politiker dann gerne zitieren, wenn sie Menschen mit anderen Wurzeln auf Distanz halten wollen, sich es aber so nicht zu sagen trauen.

Notabene, Ostern ist auch für Ungläubige immer ein arbeitnehmerfreundliches Fest gewesen, weil der Herr am Karfreitag starb und die Auferstehung mit Nebenfolgen sich bis zum Montag hinzog. Ein langes Wochenende also. Was gibt es in der Freizeitgesellschaft, die viel Spaß, aber keine Ewigkeit kennt, Besseres als ein langes Wochenende? Nun kann allerdings ein solches Wochenende zu einem Purgatorium der besonderen Art werden.

Man verbringt viel Zeit mit Menschen, mit denen man sonst weniger Zeit verbringt und stellt dabei fest, dass die Gründe, deretwegen man einst glaubte, viel Zeit mit eben jenen Menschen verbringen zu wollen, fadenscheinig geworden sind. Natürlich liegt das an einem selbst. Man zweifelt, während die Verwandtschaft schnattert. Beim Osterspaziergang denkt man an Faust, schweigt vor sich hin und sieht andere Spaziergänger, die auch so aussehen, als dächten sie an Faust.

Die meisten aber sitzen in absurd bunten Wursthäuten auf Fahrrädern oder haben sich in Tchibo-Wanderklamotten geschmissen. Geht man übrigens zu Ostern in die Kirche, begegnet man dort keinen Wursthaut-Sportlern oder Cargohosen-Freizeitlern. Kirche hat in vielerlei Hinsicht etwas für sich.

© SZ vom 23.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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