Deutscher Alltag:Bild auf Frau

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Großbritanniens neue First Lady ist eine moderne Frau, sie hat einen Delphin auf dem Knöchel. Dabei gibt es Menschen, die der Auffassung sind, dass Tätowierungen ehemaligen Fremdenlegionären sowie Friseurinnen aus Magdeburg vorbehalten bleiben sollten.

Kurt Kister

David Cameron und Nick Clegg sind Großbritanniens neues power couple. Sie wirken so, als könnten sie beide in der FDP oder wenigstens Manager eines auf die Pleite Spaniens wettenden Hedge Fonds sein. Dem an der britischen Geschichte Interessierten ist dieser Typ des jungenhaften Herrenhaus-Bewohners bekannt. In den Kolonialkriegen zwischen Karthum und dem Khyberpass sahen so jene Hauptleute aus, die zu ihren schottenberockten Gefreiten sagten: "C'mon lads, get me that hill." Die lads stürmten den Hügel und fielen. Die sich später als Oberstleutnante auf ihre Güter zurückziehenden einstigen Milchbart-Offiziere erzählten noch lang vom jolly good war.

Sollten Tätowierungen nur Maoris, ehemaligen Fremdenlegionären oder Matrosen sowie Friseurinnen aus Magdeburg im weiteren Sinne vorbehalten bleiben? (Foto: ag.getty)

Jetzt sind Cameron & Clegg erst mal dabei, den Hügel stürmen zu lassen. Der Premier erhält dabei Hilfe von seiner Frau Samantha, genannt Sam. (Wer erinnert sich noch an den Song "Good bye Sam, hallo Samantha"?). Sam ist eine moderne Frau, die sich an die rechte Ferse unterhalb des Knöchels einen Delphin tätowieren ließ.

Wer Tätowierungen für unsonderbar, gar für schön hält, mag darin keine Nachricht sehen. Aber es gibt ja auch andere Menschen, die der Auffassung sind, dass Tätowierungen den Maoris, ehemaligen Fremdenlegionären oder Matrosen sowie Friseurinnen aus Magdeburg im weiteren Sinne vorbehalten bleiben sollten. Zugegeben, die untätowierten Ästheten geraten in die Gefahr, eine Minderheit zu werden, auch weil sich viele der Tätowierten nicht vorstellen können, wie ihre Körpergravur nach dem Einsetzen der allgemeinen Bindegewebserschlaffung aussehen wird. Sams Fersendelphin zum Beispiel wird viele Runzeln bekommen, so als trage er die Haut jenes alten Mannes, den Hemingway aufs Meer fahren ließ, um einen großen Fisch zu fangen. Und wenn Sams Kind, mit dem sie schwanger geht, alt genug sein wird, wird es sagen: Mama, was ist das peinlich mit deinem Tattoo.

Als junger Mensch macht man viele Dinge, die glücklicherweise meistens vergänglich sind. Wie schrecklich wäre es, müsste man auf ewig jene Jeans mit Schlag tragen oder den Alvin-Lee-Look (ein Mitglied der Rockband Ten Years After, dem auch kein Bart wuchs, dafür aber sofakissenartige Haare). Lässt man sich tätowieren, sei es mit Totenköpfen oder Rosen an verfänglichen Stellen, bleibt das - oder man lässt es sich herausschälen. Manches Körperteil allerdings, das einen rosenbewehrt in jungen Jahren fast wahnsinnig werden lässt, bedeckt man im Alter lieber mit Merinowolle. Der 76-jährige Leonard Cohen meint in einem Song: "I ache in the places I used to play" - jene Stellen, die mir einst Vergnügen bereiteten, schmerzen heute nur noch. Auch Sams Delphin wird diesen Weg gehen.

© SZ vom 29.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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