Deutsche Literatur:Tanz die alte Bundesrepublik

Von Christiane Lutz

Das Mambo Jambo, das After Shave, das Tanzlokal Monokel, die Koralle, aber auch das Be-Bop und sogar das Relexx - Privatdetektiv Frankie klappert alle ab. Kippt sich literweise Bacardi-Cola rein und stellt den Diskjockeys immer die gleiche Frage: ob sie am 9. Juli "White Heat" von Madonna gespielt haben. Der Song lief nämlich im Hintergrund eines Erpresseranrufs bei einem Vorstand der Deutschen Bundesbahn. Bei seinen Ermittlungen durch Westdeutschland folgt Frankie nur seinem Bauchgefühl ("Ich hatte das Stuttgart-Gefühl gehabt") und einigen Affären ("Ich hatte echt keinen Bock auf Telekommunikation mit Jessika Schmidt"). Die Methode ist, nun ja, mäßig erfolgreich. Der Autor Michel Decar ist 1987 geboren und somit zu jung, um in den Achtzigerjahren in Discos getanzt zu haben. Trotzdem beschwört er in seinem Debüt "Tausend deutsche Diskotheken" ein wohliges Achtzigerjahregefühl. Eine Zeit, in der man in der BRD Marlboro Menthol rauchte, die DDR ein grauer Fleck im Osten war und Reisende statt ins Bordrestaurant in den Speisewagen gingen. Das schreibt er mit schnoddriger Lakonie und maßloser Übertreibung auf. Am Ende bleibt dabei unklar, ob die Tingelei durch eine längst vergangene Clublandschaft nicht ein gigantisches Ablenkungsmanöver ist. Und Ich-Erzähler Frankie tiefer in der Erpressung steckt, als er die Leser glauben machen will.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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