Deutsche Filme im schwedischen TV:Röhrende ZDF-Romantik

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Elche, Segelyachten und Sommerhäuschen: Im schwedischen Fernsehen werden Inga-Lindström-Filme ausgestrahlt. Für echte Schweden ein bizarres Spektakel.

Gunnar Herrmann

Es gibt ein Land, in dem der Elch im Abendlicht röhrt, während schöne Menschen Cabrios und Segelyachten vor roten Sommerhäusern abstellen, wo sie dann die Liebe ihres Lebens treffen.

Am Wochenende im schwedischen TV: Ein Themenabend zur schrulligen Schweden-Verehrung der Deutschen. (Foto: Foto: dpa)

Den Schweden war dieses Land bislang unbekannt. Aber am Samstag werden sie es nun kennenlernen, denn dann zeigt der öffentlich-rechtliche Kanal SVT erstmals zwei Filme aus der Spielfilmreihe Inga Lindström.

Zur besten Sendezeit kann das Publikum beobachten, wie sich Männer und Frauen vor der romantischen Kulisse des Stockholmer Schärengartens küssen, wie sie schmachten. Und wie sie versuchen, gleichzeitig schwedisch zu wirken und Deutsch zu sprechen. Die Filme werden in Schweden mit Untertiteln ausgestrahlt.

Man muss wissen, dass Inga-Lindström-Filme etwa so viel mit Skandinavien gemein haben wie ein amerikanisches "Octoberfeast" mit der Wiesn. Die Streifen produziert das ZDF, alle Schauspieler sind deutsch und Inga Lindström, der Name der Drehbuchautorin, ist ein Pseudonym. Tatsächlich heißt die Schöpferin der heilen Schärengartenwelt Christiane Sadlo, und auch sie lebt in Deutschland.

Göran Danasten ist der Mann, der die Schweden-Schnulzen beim ZDF eingekauft hat. Das Inga-Lindström-Phänomen sei einfach faszinierend, erläutert der SVT-Programmchef. "Viele Schweden wissen ja gar nicht, dass es da noch eine andere Version von ihrem Land gibt. Eine Version, die sonntagabends sieben Millionen Deutsche vor den Fernseher lockt." Er sei schon sehr gespannt darauf, wie seine Landsleute reagieren. Danasten selbst beschreibt seine Eindrücke so: "Für einen Schweden ist es natürlich völlig bizarr, diese Filme anzusehen."

"Bullerbü-Syndrom

SVT will die beiden Lindström-Filme "Der Zauber von Sandbergen" und "Sommer der Entscheidung" am Samstag nicht nur vorführen, sondern den Zuschauern auch erläutern, wie es dazu kommen konnte. Die Machwerke aus Mainz sind Teil eines kompletten Themenabends, der sich mit der schrulligen Schweden-Verehrung der Deutschen beschäftigt.

SVT hat eigens den deutsch-schwedischen Reporter Niels Reise nach Süden entsandt, um dem Phänomen auf die Spur zu kommen, das vom Leiter des Stockholmer Goethe-Instituts einmal als "Bullerbü-Syndrom" bezeichnet wurde. Warum, so lautet die Frage, weht über dem TV-Traumland der Deutschen ausgerechnet eine blau-gelbe Flagge?

Nils Reise hat ein paar interessante Antworten bekommen. Unter anderem von Claus Beling, der als ZDF-Programmchef für die Entwicklung der Sonntagabend-Romanze zuständig war. Er sagt den SVT-Zuschauern, dass er seine Produktionsteams vor allem wegen der schönen Landschaft in ihre Heimat geschickt hat. "In Dänemark zum Beispiel, da ist die Landschaft nicht so ergiebig", sagt Beling. Norwegen sei zwar auch schön, aber zu teuer. Und mit der Toskana habe man einmal experimentiert, aber "die Typologie der Menschen dort hat relativ wenig mit Deutschland zu tun". Es sei "geradezu lächerlich", Italiener von deutschen Schauspielern darstellen zu lassen.

Das mag in vielerlei Hinsicht stimmen, bei den Fernsehgewohnheiten jedoch gibt es große Unterschiede. Zum Beispiel sind Schmachtschinken à la Lindström im schwedischen TV, die Traumwelten vorführen, bislang nahezu unbekannt. "Solcher Eskapismus wird in Schweden oft noch als etwas Anrüchiges gesehen", sagt der Programmchef.

Deutsche Fernsehromantik könnte also beides sein: ein Kulturschock und eine Anregung, die den nüchternen Schweden Lust auf Träumereien macht. Danasten glaubt allerdings nicht, dass seine Landsleute der Wirklichkeit mit Inga Lindström entfliehen wollen. Dazu sind die ZDF-Produktionen zu deutsch. In einer echt schwedischen Traumwelt gebe es mehr Gleichberechtigung.

© SZ vom 24.10.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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