"Derrick" Horst Tappert ist tot:Zufällig weltberühmt

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Der Schauspieler Horst Tappert, weltweit berühmt geworden als das markanteste Oberinspektorengesicht Westdeutschlands, ist tot. Er verstarb im Alter von 85 Jahren.

Bernd Graff und Jürgen Schmieder

Horst Tappert, gelernter Buchhalter und Kriminalhauptkommissar ehrenhalber, verkörperte den weisesten Fahnder der alten Bundesrepublik Deutschland. Sein "Oberinspektor Derrick" jagte von 1974 bis 1998 Münchner Verbrecher der feineren und feinsten Gesellschaft und schickte den ewigen Lehrling Harry Klein zum Wagenvorwärmen.

Horst Tappert als "Derrick": Der Schauspieler verstarb im Alter von 85 Jahren. (Foto: Foto: dpa)

Die Figur verkörperte klassische deutsche Tugenden pur: Gründlichkeit, Disziplin, rationale Durchdringung und Solidität - allein schon deshalb, weil Tappert/Derrick fast ein Vierteljahrhundert lang ermittelte. Mit einem Satz: Derrick war kein Überkommissar, kein brillanter Ermittler. Er war verlässlich. Dafür liebte man ihn.

Umberto Eco erkannte Durchschnittlichkeit in seiner Figur und Berechenbarkeit: "Derrick ist ein Fels in der neuen Unübersichtlichkeit." Ein Prototyp der pflichtbewussten Professionalität. Mehr sollte, mehr konnte sie auch gar nicht sein - auch wenn das Upperclass-Milieu der Derrick-Folgen sich zumeist als eher weltfremd münchnerisch, ja grünwaldig entpuppte.

Doch umwehte auch Derrick eine gewisse Tragik, die Tristesse des erwachsen gewordenen Idealisten, reif und realitätssatt und doch auch von bitterloser Sturheit für die gerechte Sache. 281 Derrick-Folgen durfte die Welt so zusehen - tatsächlich die Welt, weil "Derrick" in mehr als 100 Länder exportiert wurde -, wie Harry Klein neben Derrick klein blieb.

Der erste "Straßenfeger"

Dabei war Tappert als Chefposträuber im Fernseh-Dreiteiler "Die Gentlemen bitten zur Kasse" bekanntgeworden, als ein Filou, der Millionen stahl. Das was 1966 und die fernsehbewegte Welt war noch schwarzweiß. Dennoch bescherten die deutschen Gentlemen um Tappert dem produzierenden NDR einen sogenannten Straßenfeger, tatsächlich sogar die wahrscheinlich höchsten Einschaltquoten der westddeutschen TV-Geschichte. Horst Tappert, Günter Neutze und viele andere bekannte Darsteller machten den britischen Postraub zur smartesten Chefsache und gewannen damit Reputation - ungefähr so wie heutzutage George Clooney mit seinen "Oceans Eleven".

Dennoch, den durchschlagendsten Erfolg eines westdeutschen Schauspielers erzielte der am 26. Mai 1923 in Elberfeld als Sohn eines Beamten geborene Tappert mit seiner Figur des Kriminalinspektors Derrick. Da Tappert als Derrick das Ansehen der Deutschen in der Welt steigerte, erhielt er 1988 das Bundesverdienstkreuz und 1997 den Bundesverdienstorden. Seltene Ehren für Schauspieler - in diesem Fall für einen, der gar nicht als Schauspieler am Theater begonnen hatte: Beim Theater in Stendal hatte er sich nach Kriegsende als Buchhalter beworben und war als Aushilfsarbeiter eingestiegen. Doch wurde er schon bald ohne jede Schauspielausbildung auf die Bühne geholt und debütierte in der Spielzeit 1945/1946 als Dr. Striebel in Helwigs "Die Flitterwochen".

Nach dem Schauspielunterricht 1945 bis 1947 folgten Engagements in Köthen, Göttingen, Kassel. Dann Bonn, Wuppertal, schließlich die Kammerspiele in München und Gastauftritte am Bayerischen Staatsschauspiel. Seit 1967 war er indes ungebunden, blieb dem Theater in freien Produktionen jedoch treu. Als Theaterschauspieler war Tappert vor allem die "Nummer acht". Im Stück "Die zwölf Geschworenen" von Reginald Rose verkörperte er das renitente Mitglied der Geschworenen, das sich gegen jede Logik und Beweisführung dagegen wehrt, den Angeklagten schnell zu verurteilen.

Im amerikanischen Fernsehspiel wurde die Figur von Henry Fonda gespielt, auf der deutschen Bühne war es Tappert. Der Dramaturg Horst Budjuhn, der die amerikanische Vorlage für die deutsche Bühne bearbeitete, sagte einmal: "Meine Arbeit schien ein Irrtum zu sein. Alle namhaften deutschen Intendanten lehnten mit kategorischer Höflichkeit ab. Bis dann Regisseur Hans Schweikart zu Hilfe kam und Horst Tappert die Nummer acht spielte."

Glaubhaft erarbeitete Tränensäcke

Anfang der achtziger Jahre kehrte Tappert häufiger auf die Bühne zurück - und spielte vor allem wieder die "Nummer acht". Am Züricher Bernhard-Theater übernahm er 1993 nicht nur die Rolle des Geschworenen, sondern war auch als Regisseur tätig.

Tappert war nebenbei in zahlreichen Kinofilmen zu sehen wie "Die Trapp-Familie in Amerika" (1958), "Der Hund von Blackwood Castle" (1968) oder "Und Jimmy ging zum Regenbogen" (1970).

Dennoch wird Tappert, den man oft in Münchens Englischen Garten flanieren sah, als Derrick in Erinnerung bleiben. Die Tränensäcke dieses Polizisten schienen glaubhaft erarbeitet. Sein therapeutisches Einfühlungsvermögen in die Motive der Täter waren Arbeit im Dienst einer immer gerechten Sache, mochte der immer gewaltlose Inspektor auch stumm an der Menschheit verzeifeln.

In Frankreich, wo sich wie in vielen anderen Ländern Fanklubs bildeten, überrundete "Derrick" gar die US-Serien "Dallas" und "Denver" in der Zuschauergunst und Quote. Als Tappert 1988 das Bundesverdienstkreuz für sein Wirken verliehen bekam, hieß es, er habe mit seiner Rolle zum Ansehen der Bundesrepublik in der Welt beigetragen, und tatsächlich galt "Derrick" lange als einer der bekanntesten Deutschen weltweit. Tappert war so sehr Derrick, dass man immer Fritz Wepper, seinen Harry Klein, suchte, wenn Tappert irgendwo auftauchte.

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