Eine Bronzeskulptur markiert in den Düsseldorfer Rheinwiesen den "LSBTIQ Erinnerungsort", ein Werk des schwulen Kölner Künstlers Claus Richter, Jahrgang 1971. Das Düsseldorfer "LSBTIQ Forum" hatte sich seit langem für ein solches Denkmal eingesetzt, für das die Kunstkommission der Stadt Düsseldorf schließlich einen Wettbewerb ausschrieb. Im Interview erzählt Claus Richter, wie es war, erstmals den Auftrag für ein öffentliches Denkmal zu bekommen, das ihn auch noch selbst betrifft.
SZ: Ist das ein klassischer Fall von Auftragskunst?
Claus Richter: Ja, auf jeden Fall, aber das finde ich klasse. Ich habe ja an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach studiert. Da lag der Fokus damals weniger auf der Idee vom Künstlergenie, sondern auf gemeinschaftlicher Arbeit, Handwerk und einer gewissen Offenheit gegenüber Aufgaben.
Heißt das, dass sich die Arbeit an dem LSBTIQ -Denkmal gar nicht so sehr von Ihrer sonstigen Vorgehensweise unterscheidet?
Der Prozess, der nun zu diesem geradezu klassischen Entwurf geführt hat, ist nicht ganz so anders als bei anderen Arbeiten. Es geht immer darum, eine Aufgabe mit einem gewissen Eigensinn zu lösen. Man guckt, liest, tauscht sich mit dem LSBTIQ Forum aus, und langsam kommt was. David Lynch hat das mal mit dem Bild des Fischens beschrieben, man wirft Netze aus in ein großes unbekanntes Feld, und plötzlich fängt man eine Idee.
Sie haben schließlich ein Bronzedenkmal mit Inschrift entworfen. Klingt nach einer sehr traditionellen Ästhetik.
Was mich inspiriert hat, waren die ganzen Bronzeskulpturen, an denen ich bei der gemeinsamen Stadt-Begehung mit den anderen Bewerbern und der Kunstkommission vorbeigelaufen bin. Alle haben ein bisschen die Nase gerümpft über diese alten Denkmäler. Und da dachte ich: Wie wäre es, wenn man jetzt genau das macht: Ein klassisches Bronzestandbild! Die ersten Entwürfe sahen recht martialisch aus, weil ich ein kämpferisches Denkmal der Thematik angemessen fand. Nach und nach hat sich dann die Form leicht gewandelt, ist weicher geworden.
Wie kann man sich dieses Denkmal vorstellen?
Es sind vier lebensgroße Bronzefiguren. Sie stehen auf einem niedrigen Sockel und recken die Hände in alle vier Himmelsrichtungen, mit geballten Fäusten und Victory-Zeichen. Gleichzeitig halten sie sich an den Händen. Das sind einerseits Gesten des Protests, wie man sie auf den historischen Fotos der Aufstände gegen die oft gewalttätige Ausgrenzung sexueller Minderheiten sieht. Sich an den Händen zu halten, ist dagegen ein sehr ursprüngliches Bild von Gemeinschaft. Es sind also Gesten des Kampfes und der Zuversicht.
Sie haben für diese Figurengruppe Models gecastet. Nach welchen Kriterien?
Nach langer Suche habe ich vier scheinbar "männliche", scheinbar "weibliche" Models gefunden, die für mich archetypisch für verschiedene Lebensformen stehen. Echte Menschen, bei denen man sich fragt: Wer ist jetzt wer? Und vielleicht denkt: Das könnte auch ich sein. Oder das, oder das. Ich hätte auch klischeehaftere Zuschreibungen einbringen können: eine Tunte mit Federboa, einen Lederschwulen in Kluft, eine Transgender-Frau mit OP-Narben. So einen illustrativen Ansatz fände ich aber zu reduktiv. Sexuelle Vielfalt ist ein weites Feld.
Die Entscheidung für Ihren Entwurf war im Düsseldorfer Stadtrat politisch teils umstritten. Warum?
Ich glaube, es gab anfangs das Missverständnis, dass da ein Denkmal entstehen soll, das wegen der Ästhetik rechts- oder linksextremistisch gedeutet werden könnte. Dieses Missverständnis ist ja auch durchaus Teil der Arbeit.
Das Denkmal soll den Titel "LSBTIQ Erinnerungsort" haben. Sie selbst bezeichnen Ihre Arbeit auch als "Ein seltsam klassisches Denkmal".
Die Idee war, etwas, das bisher von einer bestimmten Ästhetik der Erinnerung ausgeschlossen war, in genau diese Ästhetik zu kleiden.
Was bedeutet Ihnen persönlich dieses Denkmal?
Ich wünsche mir, dass es einerseits ein Ort der Erinnerung und Ehrerbietung wird, an alle, die unter großem Leid und mit großem Mut ihre sexuelle Identität gelebt haben. Andererseits ist da auch die Utopie einer humanistischen Selbstverständlichkeit, in der es zwar ein breites sexuelles Spektrum gibt, aber weniger Gegeneinander. Ein Ort, der die Vielfalt feiert, das wäre mein Traum.