Debatte:Schwarz gegen Schwarz

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Zwei prominente afroamerikanische Intellektuelle streiten sich öffentlich über die Bedeutung von Barack Obama, also über den ersten schwarzen Präsidenten der USA. Der Zwist unter Linken freut indessen vor allem die Rechten.

Von Jörg Häntzschel

Cornel West, 64, ist vermutlich der wichtigste schwarze Intellektuelle in den USA. Zumindest war er es, bis der 1975 geborene Ta-Nehisi Coates auf die Bühne trat. Beide sind außerdem prominente Stimmen der amerikanischen Linken. Und ausgerechnet diese beiden haben sich in den letzten Tagen einen erbitterten Streit geliefert. Ihr öffentliches Zerwürfnis ist bedauerlich genug. Noch schmerzlich aber ist der Auslöser: Es ging im weitesten Sinne um den ersten schwarzen Präsidenten. Und vollends gespenstisch wurde der Streit dadurch, dass ausgerechnet Richard Spencer, der intellektuelle Kopf der amerikanischen Alt-Right-Bewegung, das Schlusswort hatte. Wests Satz, Coates "fetischisiert weißen Suprematismus", kommentierte Spencer auf Twitter mit den Worten: "Er hat nicht unrecht." Daraufhin löschte Coates seinen Twitter-Account mit 1,25 Millionen Followern und verschwand vorläufig.

Anlass des Streits war ein Artikel von West, der am Sonntag im Guardian erschien. Darin greift er Coates als "Neoliberalen" an und wirft ihm vor, in seiner Fixierung auf den Konflikt zwischen Schwarz und Weiß alle anderen gesellschaftlichen Übel zu ignorieren: "die Gier der Wall Street, Amerikas imperialistische Verbrechen oder die Indifferenz der schwarzen Elite gegenüber Armut".

West bezog sich dabei auf Coates' im Oktober erschienenes Buch "We Were Eight Years in Power", eine Sammlung seiner Essays aus der Obama-Ära. West unterstützte Obama anfangs ebenso wie Coates, doch wie bei den meisten wich seine Begeisterung bald einer nüchterneren Sicht. Coates jedoch verehrte Obama bis zuletzt. Und was es an dessen Präsidentschaft zu kritisieren gab, das verblasst für ihn im aggressiven Licht von Trumps Erfolg.

Doch West kritisiert Coates weniger für dessen politische Bilanz der Obama-Ära, sondern dafür, dass er Obamas Leistung, als Schwarzer Präsident zu werden, offenbar für viel wichtiger halte als dessen Politik. Und dass er dessen Schwarzsein allein als Ausweis von Güte und Größe missverstehe: "Coates rühmt Obama als 'zutiefst moralischen Menschen', ohne die 563 Drohnenangriffe zu erwähnen, die Ermordung amerikanischer Bürger ohne Prozess, die 26 171 Bomben, die er 2016 auf fünf Länder mit vor allem muslimischer Bevölkerung warf."

Besonders erzürnt West, dass Coates Obama als heutigen Nachfolger von Malcolm X bezeichnet, "der größten prophetischen Stimme gegen das amerikanische Imperium", wo doch Obama in Wahrheit nur der "erste schwarze Kopf des amerikanischen Imperiums" sei.

In seinen Artikeln für den Atlantic, vor allem aber mit seinem Buch "Zwischen mir und der Welt" hat Coates sich immer tiefer in die Überzeugung hineingeschrieben, dass das Gen des weißen Suprematismus aus Amerikas Erbgut nicht mehr zu entfernen sei. Damit widerspricht er der seit Jahrzehnten gängigen Vorstellung, Rassismus existiere zwar leider vorläufig noch, theoretisch stünde den Schwarzen aber alles offen.

Dass Coates den Ball nun wieder den Weißen zuspielte und die Schwarzen damit von der Schuld an ihrer Erfolglosigkeit freisprach, hat durchaus seine Berechtigung. Der Nebeneffekt ist allerdings, dass er mit seiner pathetischen Rede von Amerikas inhärenter weißer Übermacht genau die Verhältnisse festschreibt, die es zu überwinden gilt. Und dass Coates damit, so schrieb der ebenfalls afroamerikanische Autor Thomas Chatterton Williams, bei seinen Millionen weißen, linken Lesern ganz unbeabsichtigt Instinkte wachruft, die man lieber schlafen lassen sollte. Das jedenfalls lernte Williams bei einem Gespräch mit ebenjenem Richard Spencer, der ihm sagte: Coates ist "das fotografische Negativ eines weißen Suprematisten. Ich bin sehr zuversichtlich, denn vielleicht werden sich diese Linken am leichtesten umdrehen lassen."

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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