Dan Brown: "The Lost Symbol":Flüche aus der Hölle

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Geheim und mysteriös: An diesem Dienstag erscheint Dan Browns "The Lost Symbol". Im Kapitol in Washington gilt es, den rätselhaften Zeichensalat zu entschlüsseln.

Lothar Müller

Jetzt können die digitalen Uhren ausruhen, die rückwärts hetzten, um im Sekundentakt den Countdown bis zum Erscheinen des neuen Thrillers von Dan Brown anzuzeigen. Sie ähnelten den Uhren, auf denen die Schuldenberge dramatisch anwachsen, aber sie eilten einem Hoffnungsdatum des Buchhandels entgegen, ab dem die Bilanzen in die Höhe schnellen sollen. Seit diesem Dienstag wird die englische Originalausgabe von "The Lost Symbol" verkauft, arbeiten die Übersetzerteams der lizenznehmenden Verlage in aller Welt im Akkord, beginnt im Netz das vielsprachige Gezwitscher der Verschwörungstheoretiker, Dechiffriersyndikate und Symbol-Experten.

In seinem neuen Buch "The Lost Symbol" schickt Dan Brown den Symbol-Entschlüsseler Robert Langdon wieder auf der Suche nach der Sprache der Wahrheit im Zeichensalat. (Foto: Foto: dpa)

Geheimgesellschaft hütet den Code des noch Unpublizierten

Nichts ist öffentlichkeitstauglicher als eine Geheimgesellschaft, nirgends erstrahlt das Publizieren in größerem Glanz, als wenn ein Geheimnis veröffentlicht wird. Verleger sind "Publisher", aber eben weil sie dies sind, wissen sie um die Aura des noch unpublizierten, unbekannten Manuskript. Und so hatten die Werbestrategen, die das Original betreuten, in den letzten Wochen perfekte Mimikry mit dem Stoff betrieben.

Sie waren zu einer Geheimgesellschaft geworden, die den Inhalt des Buches wie einen Code hütete, der auf keinen Fall in die falschen Hände geraten darf. Im Dienste der Entfesselung der größtmöglichen Zirkulationsgeschwindigkeit des Buches bei seinem Erscheinen blockierte und kanalisierte diese Geheimgesellschaft die Zirkulation des Vorab-Wissens über das Buch bis in die Stunden der Auslieferung hinein.

Fahnen und Vorab-Exemplar mied sie wie der Teufel das Weihwasser. Wer vorab mit dem "verlorenen Symbol" zu tun hatte, war zum Schweigen verpflichtet, von strafbewehrten Geheimhaltungsklauseln umstellt, die nur eine Form des Vorabwissens zuließen: das Gerücht. Denn das Gerücht ist der ideale Aggregatzustand für die vitale Anwesenheit von Geheimnissen in der Öffentlichkeit. Angesichts der verbissen-perfekten Logistik aber, mit der das moderne Marketing die Mythologie von Aufklärung und exklusivem Geheimwissen kopierte, von der die Freimaurer und Illuminaten seit je umgeben sind, ist die Rezension zu "The Lost Symbol" nicht ohne Charme, die am Montag, einen Tag vor dem Erscheinen des Buches, von der New York Times publiziert wurde.

Die abgeschnittene Hand

Die Vorab-Rezension verrät kein Geheimnis des Buches - aber sie verrät durch ihren Stil, dass sie alle seine Rätsel kennt. Locker verwandelt sie das lang schon kursierende Gerücht in ein Faktum, diesmal sei der Symbol-Entschlüsseler Robert Langdon dem geheimen Wissen der Freimaurerei auf der Spur. Eher en passant stellt sie dem Louvre, dem französischen Zentrum der Weltkunst und Schauplatz von Dan Browns letztem Thriller, "Da Vinci Code", das Kapitol in Washington gegenüber, das Zentrum der amerikanischen Weltmacht, dessen Architektur nun vor aller Augen ein Geheimnis birgt, das der Entschlüsselung harrt - war nicht George Washington Freimaurer?

Schon zeichnet sich der touristische Parcours ab, der künftig in der amerikanischen Hauptstadt als Pendant zum Louvre-Parcours in Paris am Roman entlang durch die Library of Congress zum Kapitol führen wird. Dieser Parcours ist im Roman mit Flüchen gepflastert: "What the hell ...?", "Who the hell ...?" und "Why the hell ...?"

"What the hell ...?", "Who the hell ...?", "Why the hell ...?"

Um diese Formeln gibt es überhaupt kein Geheimnis. Sie sind in den Thrillern von Dan Brown das unscheinbare Gegenstück zum Lateinischen, über das sich der Symbol-Entschlüsseler Robert Langdon immer diebisch freut, wenn es hinter irgendwelchem scheinbar sinnlosem Zeichensalat als Sprache der Wahrheit auftaucht.

Wie kleine blinkende rote Lämpchen säumen "What the hell ...?", "Who the hell ...?" und "Why the hell ...?" in den Thrillern von Dan Brown die achterbahnartigen Plots, in denen plötzlich eine abgeschnittene Hand im Kapitol liegt, eine Figur auftaucht, mit der niemand gerechnet hat, ein schreckliches Ereignis geschieht, dessen Ursache unsichtbar bleibt. Es mag so schlimm kommen, wie es will in "The Lost Symbol" - im Staccato des "What the hell ...?", "Who the hell ...?" und "Why the hell ...?" arbeitet dem Schrecken ein verlässlich-vertrauter Stil entgegen.

© SZ vom 15.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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