Cyberkrimi:Leidenschaft für Codes

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Roboterpflanzen und sprechende Türen - der norwegische Autor Robbie Peers führt seinen Helden in eine Welt modernster Technologie und "posthumaner Forschung".

Von Markus C. Schulte von Drach

Zwei Dinge gibt es, die das Leben für William Wenton kompliziert machen: Erstens lebt er mit seinen Eltern nach einer Flucht aus England seit acht Jahren unter falschem Namen in Norwegen. Damals hatte er mit seinem Vater einen schweren Autounfall gehabt. Dann war sein Großvater unter mysteriösen Umständen verschwunden. Zweitens hat William eine ungewöhnliche Gabe: Er kann, ohne nachzudenken, selbst die schwierigsten Codes entschlüsseln. Zahlen und Symbole tanzen dann um seinen Kopf herum, und ehe er sich versieht, ist die Lösung da. Das könnte sein Leben sehr bereichern, schließlich sind Codes auch seine größte Leidenschaft. Doch wenn man sich verstecken muss, ist es keine gute Idee, mit besonderen Fähigkeiten Aufsehen zu erregen. So kann William sein Talent nur heimlich anwenden. Pech, dass er mit der Schulklasse nun ausgerechnet die Ausstellung mit dem schwierigsten Code der Welt besucht: Die "Unmöglichkeit". Und dumm, dass er ausgerechnet auf der Bühne landet, wo die intelligentesten Köpfe des Landes daran scheitern, den Code zu knacken. William kann nicht widerstehen ... und es kommt, wie es kommen muss. Jemand - oder vielmehr Etwas - überfällt die Familie und verfolgt William in die winterliche Nacht. Doch jemand - oder eher etwas - Anderes rettet ihn und schafft ihn zum "Institut für Posthumane Forschung".

Ab hier führt der norwegische Autor Robbie Peers den Held seines ersten Kinderbuches in eine Welt voller neuer, fantastischer technischer Errungenschaften, von denen sich allerdings der tiefere Sinn nicht unbedingt erschließt: Roboterpflanzen und -tiere, die sich gegenseitig fressen, Maschinen, die einfach nur Treppen hinauf und hinunter klettern, sprechende Türen mit Charakter. Für William allerdings ist viel wichtiger: An dem Institut werden Kinder, die besonders gut Codes knacken können, ausgebildet - klar, dass er hierher gehört. Insbesondere da sein verschollener Großvater auch noch zu den Gründern des Instituts gehört. Jahrelang haben die Wissenschaftler dort nach William gesucht und schließlich die "Unmöglichkeit" entwickelt, um ihn aus dem Versteck zu locken.

Doch damit haben sie auch, wie von seinen Eltern befürchtet, eine böse Macht auf seine Spur gebracht. Erneut muss William fliehen, und macht sich nun selbst auf die Suche nach seinem verschwundenen Großvater. Es folgt eine rasante Verfolgungsjagd auf die andere.

Dabei hätte es Peers gern etwas ruhiger angehen und seinen vielen, wechselnden Figuren mehr Raum geben können, sich zu entwickeln. Eine Reihe von Andeutungen und Fragen bleibt völlig ungeklärt. Die technischen Errungenschaften des "Instituts für Posthumane Forschung" sind überwiegend so unrealistisch wie die Laserschwerter aus Star Wars. Computer werden nicht die Größe von Atomen annehmen. Und aus einem winzigen Roboterkäfer kann sich keine riesige Maschine entfalten, die auch noch ein halber Mensch ist.

Arthur C. Clarke hat die Regel aufgestellt: "Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden." Für Kinder und ihre Smartphones trifft das ganz bestimmt zu. Aber bei Robbie Peers erscheint Fantasy im Gewand von Science Fiction. Es gibt seit Jules Verne eine Menge guter Science-Fiction-Literatur, die die weitere Entwicklung der Technik und ihre möglichen Folgen auslotet. Nur kaum für Kinder. Warum eigentlich? Schließlich ist die Welt von morgen die von heute Abend geworden. (ab 12 Jahre)

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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