Komische Oper Berlin:Fahrt zur Hölle

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Die Liebhaber Ferrando (Caspar Singh) und Guglielmo (Hubert Zapiór) sind so vergnügt, dass sie ihren Frauen lächelnd Grausamstes antun. (Foto: Monika Rittershaus)

Mozarts "Così fan tutte" beschreibt ein grausames Menschenexperiment unter Liebenden. Regisseur Kirill Serebrennikov schärft das in Berlin noch an.

Von Julia Spinola

Mit schwarzen Witwenschleiern und gesenkten Köpfen verfolgen Fiordiligi und Dorabella die Einäscherung ihrer Liebhaber, während gewaltige Grabgestecke schon ein bombastisches Staatsbegräbnis andeuten. Dem melancholischen Abschiedsklang ihres Terzettinos mit Don Alfonso ("Soave sia il vento") wächst im Flammenschein des Krematoriums etwas Schauriges zu. Bald überreicht man den beiden Schwestern die Urnen ihrer Verlobten. Denn während deren Abberufung in den Krieg bei Mozart und seinem Librettisten Lorenzo da Ponte nur fingiert wird, damit sie in einem Experiment am offenen Herzen die Treue ihrer Frauen auf die Probe stellen können, macht der Regisseur Kirill Serebrennikov in seiner Inszenierung von "Così fan tutte" daraus blutigen Ernst - zumindest unter einer grell-komischen Oberfläche. Da flimmern in der oberen Etage seines in zwei Stockwerke geteilten Bühnenbildes traurig aktuelle Kriegsbilder über die Leinwand. Die in martialisches Orange getauchten Kampfszenen im Basement entstammen einem Videospiel, mit dem sich der Whiskey saufende Don Alfonso die Zeit vertreibt. Ob auch der Heldentod von Guglielmo und Ferrando nur inszeniert ist oder ob sie tatsächlich sterben, um später als Geister wiederzukehren, die ihren Frauen aus dem Jenseits beim Seitensprung zuschauen, das lässt Serebrennikov bis zuletzt in der Schwebe. Untote in einer sterilen Welt sind sie so oder so.

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