Gesellschaft und Corona:Die abgesagte Anwesenheit

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Georg Simmel dachte über die "Soziologie des Mahles" nach: Szene aus Ernst Lubitschs Filmkomödie "Die Ehe im Kreise". (Foto: Hulton Archive/Getty Images)

"Die ganze Gesellschaft eilte taumelnd zu Bette" heißt es bei Goethe. Aber was bedeutet der Ausdruck "Gesellschaft genau? In der aktuellen Krise lohnt der Blick in Romane und historische Wörterbücher.

Von Lothar Müller

Auch in modernen Gesellschaften gibt es Reste von Sprachmagie. Das aktuelle Zauberwort heißt systemrelevant. Seine Sesam-öffne-dich-Qualität konnte es nur gewinnen, weil die Vokabel System mit den Begriffen, in denen das gesellschaftliche Ganze Gestalt gewinnt, unmittelbar verknüpft ist. Wenn derzeit vom Shutdown gesprochen wird, vom Wiederhochfahren einzelner Branchen, von Subsystemen, die für die Aufrechterhaltung von Lieferketten unverzichtbar sind, erscheint die Gesellschaft als ein gigantisches Betriebssystem, als eine Art elektrodynamische Apparatur, deren Regler mit Vorsicht zu bedienen sind, weil schon Minimalbewegungen starke Energieströme freisetzen. Wenn der Schauspieler Ulrich Matthes von dem inneren Notstromaggregat spricht, das ihm hilft, die Corona-Krise zu überstehen, dann ist darin der Anspruch der Kultur formuliert, als systemrelevant eingestuft zu werden. Denn dieses Notstromaggregat wird von Büchern, Bildern, Aufführungen gespeist.

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