Comic:Die bedrohte Zukunft

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Das Sci-Fi-Debüt der Schreinerin Cristin Wendt heißt "Message" - und hat klare Botschaften

Von Maxie Römhild

Als der berühmte Disney-Zeichner Don Rosa seinen ersten Dagobert-Duck-Comic für einen Verlag anfertigte, war er Ingenieur und arbeitete in der Firma seines Vaters. Er hatte nie eine Kunsthochschule besucht. Solche Erfolgsgeschichten sind selten, aber es gibt sie.

Don Rosa nutzte seine Ingenieurs-Ausbildung für die präzise Herangehensweise ans Zeichnen. Für Cristin Wendt, eine junge Comic-Zeichnerin aus Neu-Ulm, ist ihr Hauptberuf eher ein Ausgleich: "Wenn ich an bestimmten Szenen arbeiten muss, kann ich mich auf der Arbeit ganz anders darauf konzentrieren als zuhause." Wendt ist Schreinerin und arbeitet in einem Betrieb, der Caravan-Möbelfronten herstellt. Das Zeichnen hat sie sich selbst beigebracht. An ihrem Debüt "Message" malte sie vor und nach der Arbeit - und währenddessen. Ganze Arbeitspausen verbrachte sie an ihrem Grafiktablett oder damit, kleine Notizzettel mit Ideen zu beschriften. Nach vier Jahren veröffentlichte sie den ersten Band 2018 im Selbstverlag. Im März wurde der 80-seitige Comic jetzt vom Cross Cult Verlag neu aufgelegt - und der Verlag bestellte gleich vier weitere Bände der Sci-Fi-Saga.

Ganz auf den Beruf der Zeichnerin umsteigen möchte Wendt trotz dieses Erfolgs aber nicht. "Sobald das Zeichnen zur Arbeit wird, zum Beispiel wenn ich einen Auftrag kriege, dann ist wie auf Knopfdruck die Motivation verschwunden", sagt sie. Und Motivation braucht es reichlich, denn Wendts Panels sind aufwendig. Technik, die es so gar nicht gibt, ist in allen Einzelheiten dargestellt, Kleidung und Hintergründe wirken plastisch, und die facettenreiche Mimik der einzelnen Charaktere lässt kaum Interpretationsspielraum. So viel Auge fürs Detail kostet Zeit. Wenn das Konzept für eine Seite steht, gehen immer noch acht bis zehn Stunden in das Skizzieren, Ausarbeiten und Kolorieren.

Eine dystopische Sci-Fi-Geschichte in einem Mix aus Comic und Manga: Cristin Wendts "Message". Illustration: Cristin Wendt (Foto: N/A)

In Wendts Stil mischen sich Elemente aus Comic und Manga. Diese ungewöhnliche Verbindung machte die Suche nach einem Verlag zunächst nicht leicht. Eine Redakteurin teilte Wendt in einer frühen Phase mit, sie könne mit der Mischung nichts anfangen. "Das war wie ein Schlag ins Gesicht, weil ich nicht wusste, wo ich eigentlich hingehöre", sagt sie. Dabei ist es genau die Verschmelzung zweier beliebter Genres, die "Message" so interessant macht. Das Buch ist ein Hybrid und reiht sich damit ein in eine Reihe neuartiger deutscher Comics, die in den vergangenen Jahren entstanden, wie "Girlsplaining" von Katja Klengel oder Olivia Viewegs "Endzeit".

Mit seiner Geschichte trifft "Message" nicht nur den Dystopie-Trend, der gerade sämtliche Medienformen durchzieht, sondern auch die Debatten um Klimawandel, Automatisierung und künstliche Intelligenz: Um die Erde zu retten, wurde das Computerprogramm "Kiem" entwickelt, das den technischen Wandel zugunsten der Natur regulieren soll. Das geht nicht lange gut, weil die Gier der Menschheit neue Konflikte schürt - bis "Kiem" schließlich gegen das Hauptproblem der Erde vorgeht: ihre Bewohner. In dieser Welt, die fortan in einem unnatürlichen Kälteschlaf liegt, lebt der Soldat Avarus, der die Überlebenden in den wenigen Städten, die Zuflucht bieten, gegen die autonomen Waffen von "Kiem" verteidigt. Ein Angriff auf den Komplex, in dem sein Bruder lebt, dessen Verschwinden und eine geheimnisvolle Nachricht bringen die Geschichte in Gang.

Cristin Wendt, geboren 1985, arbeitet als Schreinerin in Neu-Ulm. Über vier Jahre hinweg hat sie ihr Sci-Fi-Comic-Debüt "Message" entwickelt, dem weitere Bände folgen sollen. (Foto: oh)

Dass Wendts Buch genau zur Zeit der "Fridays for Future"-Bewegung erschien, war natürlich Zufall. Aber es passte. Allerdings will Wendt nicht, dass "Message" auf das reine Thema Klimawandel, das eigentlich nur die Hintergrundgeschichte liefert, reduziert wird. Vielmehr gehe es darum, wie wir mit Fortschritt umgehen. Wendts mahnende Geschichte um die Weiterentwicklung der Technologie kommt nicht von ungefähr: "Das erleben wir ja auch in der Handwerkszunft, dass neue, automatisierte Maschinen kommen. Einerseits hat das den Vorteil, kostengünstiger zu produzieren, aber andererseits gehen eben auch Arbeitsplätze dadurch verloren."

Im Zweifelsfall muss Cristin Wendt dann wohl doch komplett auf das Zeichnen umsteigen. Talent hat sie genug, Ideen auch. Der zweite Band der "Message"-Reihe erscheint im Frühjahr 2020 - und ein ganz neues Projekt ist schon in Arbeit.

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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