Comic: Das Gold der Inkas

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Ein Fund im Atlantik sorgte für Ärger zwischen Madrid und London. "Der Schatz der Black Swan" erzählt davon.

Von Thomas Urban

Vor genau einem Jahrzehnt war es der größte Aufreger zwischen Madrid und London: der Streit um 17 Tonnen Gold und Silber, die das amerikanische Bergeunternehmen Odyssey vom Grund des Atlantiks hochgeholt hatte. Auf mindestens eine halbe Milliarde Euro veranschlagten Experten den Wert des Schatzes. Nur: Wem sollte er gehören, den Briten, den Spaniern oder aber den Besitzern von Odyssey? Gerichte sollten entscheiden, und die Streitparteien setzten alles ein, was sie hatten: Politiker, Diplomaten, Anwälte, Detektive, Presseleute, Nautiker, Archäologen. Dabei wurde auch nach Kräften getrickst und gelogen, manipuliert und bestochen, eine Kriminalgeschichte, die Jahrhunderte nach dem Untergang des Schiffs mit der Millionenfracht heftige Emotionen auslöste.

Der spanische Comiczeichner Paco Roca und der schriftstellernde Diplomat Guillermo Corral haben daraus eine packende Graphic Novel gemacht. Der Titel "Der Schatz der Black Swan" (Reprodukt, Berlin 2019, 216 Seiten, 24 Euro) ist bewusst irreführend. Ein Schiff dieses Namens war an der Causa nicht beteiligt. Es handelt sich vielmehr um den Codenamen, den die professionellen Schatzsucher aus Florida ihrem im Geheimen und ohne entsprechende Genehmigungen vorangetriebenen Projekt gegeben haben - um eine falsche Fährte zu legen, wie sich später herausstellte.

Die Helden der Geschichte sind die Archivare, Diplomaten und Verwaltungsjuristen

Schon das Umschlagbild zeigt, wer bei dem Band Pate gestanden hat: der Belgier Georges Prosper Remi, der unter dem Pseudonym Hergé die Abenteuer von "Tim und Struppi" zeichnete und weltberühmt machte. Roca verhehlt nicht, dass Hergé zu seinen Idolen gehört, dieser habe seinen Stil beeinflusst. Roca ist in Spanien eine Größe. Ein internationales Echo fand sein Comic "Kopf in den Wolken" über einen an Alzheimer leidenden alten Mann; in "Die Heimatlosen" zeichnete er das Schicksal von spanischen Franco-Gegnern nach. In "Black Swan" finden sich einige Anspielungen auf "Das Geheimnis der 'Einhorn'", publiziert von Hergé im Zweiten Weltkrieg im besetzten Belgien. Darin wird die französische Fregatte Einhorn, die einen Schatz transportiert, von Piraten gekapert und versinkt schließlich im Meer.

Die Helden Rocas und Corrals sind allerdings keine kühnen Seefahrer und wilden Piraten, sondern detailversessene Archivare, pedantische Verwaltungsjuristen und dienstbeflissene Diplomaten. Ihre Gegenspieler sind die halbseidenen, großsprecherischen Eigner des Bergeunternehmens, zwei Unsympathen, hinter denen millionenschwere Investoren und deren Advokaten stehen. Schon allein diese ungewöhnliche Gegenüberstellung produziert reichlich Spannung. Um rechtlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, wurde die Firma umbenannt, sie heißt in dem Buch Ithaca, von der gleichnamigen Insel stammte der mythische Odysseus. Der Autor Corral sagt dazu: "Unsere Geschichte ist ein Abenteuer und keine Dokumentation. Trotzdem ist sie ziemlich nah an dem, was tatsächlich passiert ist. Manche Dinge sind ausgedacht, aber nicht unbedingt die unwahrscheinlichsten."

Den beiden Amerikanern stand modernstes Gerät zur Verfügung, weitreichende Sonargeräte und für die Unterwasserbergung ausgerüstete ferngesteuerte U-Boote. Im Frühjahr 2007 gaben sie auf einer Pressekonferenz bekannt, dass sie einen Schatz gehoben hätten, der größer und wertvoller sei als alles, was bislang vom Meeresboden an die Oberfläche geholt worden sei. Sie gaben nur die ungefähre Lage des Fundortes an: im Atlantik vor der Südküste Portugals. Die 17 Tonnen, überwiegend Goldmünzen, seien schon nach Florida gebracht worden. Die Information über den Fundort ließ allerdings die Experten im spanischen Kulturministerium in Madrid aufmerken, zu ihnen gehörte der Autor Corral: An Südportugal vorbei führte die Hauptroute der spanischen Schiffe, die Schätze aus Lateinamerika ins Land brachten. Die Amerikaner mussten nun genaue Angaben machen. Sie erklärten, es handle sich vermutlich um das englische Schiff Merchant Royal, das 1641 in einem Sturm gesunken sei. Die britische Presse war begeistert. Doch mittlerweile war bekannt geworden, dass die geborgene Ladung hauptsächlich aus spanischen Münzen bestand, die offenkundig später in Lima geprägt worden waren, wohl aus Gold der Inkas. Diese Daten passten auf die spanische Fregatte Nuestra Señora de las Mercedes, die die Briten 1804 vor Südportugal versenkt hatten. Sollte sich diese Version bestätigen, so wäre der Schatz weiterhin Eigentum des Königreichs Spanien, der Bergefirma blieben nur der Finderlohn und die Kosten für ihren Einsatz.

Die spanischen Experten und Regierungsbeamten reichten schließlich in den USA Klage ein; erneut war Corral damit befasst, er war mittlerweile Kulturattaché in Washington. Zwar versuchten die Eigner des Bergeunternehmens, die Öffentlichkeit und auch die Richter mit einem eigens gedrehten Dokumentarfilm zu beeinflussen, der ihre Version bestätigte, auch hatten sie einen Großteil der angloamerikanischen Presse auf ihrer Seite. Doch die Richter entschieden zugunsten Madrids. Ihr Urteil wurde in den nächsten Distanzen bestätigt, die umstrittenen 17 Tonnen kamen schließlich mit mehr als 200 Jahren Verspätung doch noch in Spanien an. Roca und Corral erzählen diesen Recherchekrimi mit ironischer Distanz und Humor, ein Muss für "Tim und Struppi"-Fans aller Generationen.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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