Chorsänger:Männermangel

40 Soprane, 30 Altstimmen, eine Handvoll Bässe, zwei Tenöre. So sehen heutzutage viele Chöre aus. Überall werden dringend Männer gesucht. Der Bruchsaler Männerchor hatte da eine hervorragende Idee, wie man Abhilfe schaffen könnte.

Von Gerhard Matzig

"Bruchsaler Men's Night". Man sieht den Flyer und denkt, huch, eine Männer-Strip-Aktion nur für Frauen? Oder umgekehrt: tabledancende Mädels nur für Kerle? Sodom und Gomorrha ... und Bruchsal quasi. Geht's noch? Es geht - dann aber doch um das hohe Kulturgut des chorischen Gesangs. Beziehungsweise um die "Lizenz zum Singen". Die wird an diesem Samstag in Bruchsal verliehen an jene tapferen, ja heroischen Männer, die sich im Singen weiterbilden lassen. Zum Beispiel studierte man in den letzten Wochen "You'll never walk alone" ein. Die deutschen Fußballstadien sind für die tonale Aufrüstung ihrer Südkurven außerordentlich dankbar. Der Hintergrund der höchst charmanten Aktion ist leider ernsthafter Natur. Die Chöre insgesamt boomen, leiden jedoch am Männermangel. Man hört von Bässen, denen unsittliche Angebote zugehen in der Hoffnung, sie mögen von Chor A zu Chor B wechseln. Nachgedacht wird über Transferperioden, Millionengehälter und Werbeverträge für Nutella. Die Situation ist unhaltbar. Der Männerchor, der ein Kind der Aufklärung ist und seit der Romantik das deutsche Kulturleben bereichert, darf - insofern der Serengeti ähnlich - nicht sterben. Und, Männer, ist das nicht toll? Hier wird man noch gebraucht. Dank sei dem Bruchsaler Männerchor, dem wir von hier aus baritonal versichern: You'll never sing alone.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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