Caravaggio:Angeblich unbekannte Werke entdeckt

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Es wird gemeldet, zwei italienische Kunsthistoriker hätten 83 frühe Arbeiten des Malers Caravaggio gefunden. Doch solche Zuschreibungen können, egal wie lautstark sie vorgetragen werden, immer nur als vorläufige Hypothesen gelten.

Henning Klüver und Kia Vahland

Alte Meister sind bei Museen, Sammlern und Publikum sehr beliebt, haben nur einen Nachteil: Sie produzieren nicht mehr. Wer als Museum oder Privatmensch noch kein Werk von Michelangelo, Raffael oder Caravaggio besitzt, der bekommt so schnell auch keines mehr. Es sei denn, jemand findet auf einem Dachboden, in einem Archiv oder auf einem Flohmarkt Gemälde oder Zeichnungen, die aussehen, als könnten sie vom Meister stammen. Gerne werden diese Funde dann eilig über die Nachrichtenagenturen kommuniziert, bevor sie mit allen wichtigen Fachleuten für das jeweilige Oeuvre diskutiert werden. Solche Zuschreibungen können, egal wie lautstark sie vorgetragen werden, immer nur als vorläufige Hypothesen gelten.

Eine der Zeichnungen aus dem Fund: Zwei italienische Kunsthistoriker wollen 83 frühe Arbeiten des frühbarocken Malers Caravaggio entdeckt haben. (Foto: dpa)

Nun meldet die italienische Nachrichtenagentur Ansa, zwei italienische Kunsthistoriker hätten 83 frühe Arbeiten des frühbarocken Malers Michelangelo Merisi (1571-1610) gefunden, der sich nach seiner Heimatstadt Caravaggio nannte. Es soll sich vor allem um Zeichnungen aus der Werkstatt von Simone Peterzano handeln, aber auch um malerische Studien in Öl. Caravaggio hatte im Atelier von Peterzano gelernt, der damals zu den wichtigsten Malern der Lombardei gehörte. Später ging der Maler nach Rom, wo er nach schwierigen Anfangsjahren unter dem Schutz von Gönnern wie Kardinal del Monte Karriere machte. Hier und in Süditalien entstanden seine entscheidenden Werke.

Es fehlten bislang Arbeiten Caravaggios aus dieser Zeit

Die Malerei war zu der damaligen Zeit im recht lebensfernen Manierismus erstarrt. Caravaggio kommt das Verdienst zu, den Dreck des Alltagslebens in die Kunst geholt zu haben. Er malte in Rom Dirnen und Zigeuner; seine Figuren strecken dem Betrachter auch schon einmal ihre dreckigen Fußsohlen entgegen. Parallel zu den physikalischen Entdeckungen seiner Zeit führte er die Schwerkraft in die Kunst ein. Hier streben keine ätherischen Gestalten gen Himmel, sondern auch die Heiligen sind real fassbare Menschen.

Die Grundlagen dieser Malerei stammen aus seiner lombardischen Heimat. Dort erfuhr der Jüngling eine grundsolide Lehre mit allem Drum und Dran vom Zeichnen bis zum fertigen Bild. In den Werkstätten von Peterzano und seinen damaligen Malerfreunden, unter ihnen Künstler wie Giampaolo Lomazzo oder Ambrogio Figino, kursierten auch Teile des gezeichneten und schriftlichen Nachlasses von Leonardo da Vinci.

Es fehlten jedoch bislang Arbeiten Caravaggios aus dieser Zeit. Die Kunsthistoriker Maurizio Bernardelli Curuz und Adriana Conconi Fedrigolli haben nun in Mailand unter anderem den Fundus Peterzano untersucht, der im Castello Sforzesco aufbewahrt wird. Unter den rund 1400 Zeichnungen von Schülern Simone Peterzanos haben sie Blätter gefunden, die sie Michelangelo Merisi zuerkennen, weil die Figuren und Kompositionen dessen späteren Werken ähneln. Ob dies schlüssig ist oder ob es sich nicht vielmehr um spätere Nachahmungen seiner überaus erfolgreichen reifen Werke handelt, muss nun die wissenschaftliche Diskussion ergeben.

© SZ vom 06.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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