Den Juli 2013 hat Bob Dylan mal wieder durchgespielt. 19 Konzerte in 31 Tagen, an dankbaren Orten wie Tuscaloosa, Wantagh oder Saratoga Springs. Hat die USA durchquert und zur Sicherheit noch mal ausgemessen, wie schon so oft, wenn auch leider nie richtig cool auf dem Güterzug. Im Oktober wird er in Deutschland auftreten, eine von zwei Berlin-Shows ist schon ausverkauft, und kein Mensch würde auf die Idee kommen, ihm dafür Geldgier, Wichtigtuerei oder irgendeines der spätkapitalistischen Motive zu unterstellen, die die Rolling Stones immer hören müssen.
Dylan, 72, hat in seiner Karriere alles dafür getan, dass seine Konzerte nicht als singuläre Ereignisse verstanden werden. Wer ihn 2013 verpasst, schafft es halt 2014. Es geht doch nur darum, dass die Songs nicht zu schimmeln anfangen. Dass sie aufgeführt werden, schön warm bleiben, ab und zu ein passendes Ersatzteil kriegen. Die Geschichte der amerikanischen Musik ist ja kein Museum, auch wenn viele das so sehen.
Sieben rätselhafte Jahre
Eine Anomalie, ein riesiges Loch hat Dylans Livestatistik allerdings. Von 1967 bis 1973, die sieben mönchischen, rätselhaften Jahre. Als er quasi Zigaretten holen ging und erst mal nicht wiederkam. Als er höchstens auftrat, wenn irgendwer gestorben war oder Spenden für die Dritte Welt gesammelt wurden. Als seine Stimme plötzlich komisch klang, als er Elvis oder der glückliche, singende Rinderfarmer sein wollte, obwohl er die ganze große Aggro-Pop-Angelegenheit zuvor schon so viel weiter nach vorn getrieben hatte.
Platten machte er weiterhin, aber auch die waren komisch. Die Historienschreibung hat das alles - sehr praktisch - als die Phase abgeheftet, in der Dylan versucht haben soll, die eigene Karriere zu zerstören, was natürlich nicht stimmt. Die frühen 70er-Jahre, als der bis heute größte und einflussreichste Sänger und Songwriter Amerikas eher zurückgezogen lebte, kaum auftrat und seltsame Musik veröffentlichte, war für ihn die Zeit der radikalen Selbstvergewisserung. Die nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden konnte, abseits der Bühne. Und die gerade deshalb so wahnsinnig dringend war, weil sich davor rund vier Jahre lang der halbe Planet an ihm fremdvergewissert hatte.
Ehrendoktor statt Wodka-Ahoi
1966, da regierte Dylan noch als weltweiter Lurchkönig der Beatniks und Poet Laureate mit tellergroßen Sonnenbrillengläsern, war er 25, ein Alter, in dem andere noch mit Wodka und Ahoi-Brause experimentieren. Als er 1970 in Princeton den Ehrendoktor bekam, witzelte Uni-Präsident Robert Goheen, der Dichter ginge nun ja auch schon auf die gefährlichen 30 zu.
Das ist nämlich die wahre Sensation an "Another Self Portrait (1969 - 1971)", einer CD-Box mit 35 bislang unbekannten Aufnahmen aus der besagten Zeit, die nun erscheint, nachdem sie seit Wochen in Rock-Foren für Debatten und Erregung gesorgt hat: dass hier endlich auch das hörbar wird, was in einer ohnehin semi-privaten Phase des Künstlers Dylan als zu privat für eine Plattenveröffentlichung erschien. Nicht, weil es zu intim, zu verräterisch gewesen wäre. Sondern weil es 1970 schlicht das Format gesprengt hätte.