Bilderbuch:Krokodil spielt Saxophon

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Der Besuch in der Fantasie- und Märchenwelt eines Zoos. Illustration aus Sven Nordqvist: Spaziergang mit Hund. (Foto: Illustration aus Sven Nordqvist: Spaziergang mit Hund.)

Sven Nordqvist, der Schöpfer von Petterson und Findus, hat ein neues Wimmelbuch geschaffen. Er nimmt uns mit auf einen "Spaziergang mit Hund".

Von Thomas Steinfeld

Ein Kind erhält den Auftrag, den Hund seiner alten Tante auszuführen. Fröhlich winkt es zum Abschied. Doch das langhaarige Tier ist mindestens fünf Mal so groß wie der Knirps mit seiner roten Schirmmütze. Die straff gespannte Leine verrät sofort, wer auf diesem Spaziergang der Stärkere sein wird. Im Schlepptau des Hundes lernt das Kind daraufhin die erstaunlichsten Landschaften kennen, zuerst einen viktorianischen Bahnhof, in dem verschiedene Zeiten gelten, dann eine Traumlandschaft, in der die Menschen in Baumhäusern leben, dann das Paradies eines Modelleisenbahners, in dem die Passagiere des Zuges von Kühen mit Mohrrüben gefüttert werden. Hunderte solche meist lustigen und oft absurden Details sind auf den großformatigen Bildern dieses Buches zu sehen, viele scheinbar ohne Zusammenhang, vereint jedoch in dem Anspruch, nur die Fülle des Fantastischen als Ordnungsprinzip gelten zu lassen. Wimmelbücher gibt es viele, der "Spaziergang mit Hund" ist eines der schönsten.

Elf Jahre sind vergangen, seitdem der schwedische Zeichner Sven Nordqvist, entlaufener Architekt und berühmt geworden durch die Geschichten über den Kleinbauern Pettersson und den sprechenden Kater Findus, sein erstes reines Wimmelbuch veröffentlichte: "Wo ist meine Schwester?", und er hatte auch damals lange Zeit gebraucht, um all seine Einfälle auf großen Tafeln unterzubringen. Der "Spaziergang mit Hund" folgt diesem Muster: Die beiden Ausflügler sind oft nicht leicht zu finden, weil sie sich zum Beispiel in Treppengewölben verlaufen haben, die M. C. Escher entworfen haben muss, oder weil der Hund eine Ente jagt und seinen kleinen Herrn dabei wie einen Segeldrachen hinter sich herzieht, während ein Krokodil Saxofon spielt und der Kater Findus über die Maus zwischen seinen Tatzen philosophiert. Wer immer versucht hat, solche Bilder mit einem drei- oder vierjährigen Kind zu betrachten, weiß, dass sie Anlass und Gegenstand zu lauter kleinen Erzählungen werden, ganz ohne pädagogische Hintergedanken und moralische Absichten. Sven Nordqvist legt seine Bilder immer aus der Vogelperspektive an, aber manchmal fliegt der Vogel niedrig, und manchmal fliegt er hoch, sodass er in unterschiedlichem Maße Teil des Geschehens, aber nie ganz von ihm eingenommen wird - ein neugieriger Vogel ist das, gewiss, aber auch einer, der dem anarchischen Gewusel gegenüber so etwas wie eine überlegene Distanz wahrt. Auch das Fantastische tritt in unterschiedlichen Graden auf: Manche Bilder stammen aus einer Abenteuer- und Märchenwelt, andere haben noch eine Bindung an den kindlichen Alltag. Oft ist eine Gestalt aus sich heraus nicht mehr als ein skurriles Bild, oft steckt eine Geschichte oder eine Anekdote darin. Vor allem aber gestatten die Bilder eine große Freiheit der Betrachtung: Was man mit ihnen anfängt, ist seinen Benutzern überlassen, was nicht nur einschließt, dass für ein solches Werk keine Altersempfehlung zu geben ist, sondern auch, dass es zwischen den Figuren keine erzählerische Hierarchie und damit auch keinen pädagogischen Instrumentalismus gibt. Zum Schluss jedenfalls sind Hund und Kind wieder zu Hause, nach einem kurzen Spaziergang, der eigentlich eine Weltumrundung war.

Sven Nordqvist : Spaziergang mit Hund. Oetinger Verlag, Hamburg 2019. 32 Seiten, 20 Euro.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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