Bilderbuch:Einst waren wir alle Fische

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Vom Höhlenbewohner zum Klimazerstörer wird in diesem Bilderbuch erzählt, das den Schöpfungsmythos bis zur aktuellen Situation, die die Erde gefährdet, schildert.

Von Kristina Maidt-Zinke

Alle Kulturen haben ihre Schöpfungsmythen. Die Geschichten vom Ursprung der Welt, von der Entstehung und Entwicklung des Menschen, die aus dem Dunkel mündlicher Überlieferung kamen, wurden lange auch an die Kinder weitergegeben. Die frühe Prägung, die von jenen Erzählungen ausgeht, ist nicht zu unterschätzen: Wer in der Kindheit etwa die biblische Genesis kennenlernte, wird ungeachtet seiner weltanschaulichen Orientierung zeitlebens eine Spur davon mit sich tragen, und sei es nur das Echo eines ungelösten Rätsels. Dieser Nachhall hat wenig mit Glauben zu tun, dafür umso mehr mit der Öffnung des Bewusstseins für Denkräume jenseits des Sichtbaren.

Wie groß im digitalisierten Kinderzimmer noch das Bedürfnis nach kompletten Welterklärungsmodellen sein mag, steht dahin. Die Norweger, wie alle Skandinavier in der Kinderliteratur so fantasievoll wie pragmatisch, machen jetzt ein Angebot, das eine Erd- und Menschheitsgeschichte im Märchenton mit aufgeklärtem Realismus verbinden will. Für ihr Bilderbuch "Die Welt sagte Ja" erhielt die junge Autorin und Illustratorin Kaia Dahle Nyhus den norwegischen Kritikerpreis für das beste Kinder- und Jugendbuch des Jahres 2018.

Der Anfang ist das Schwierigste. Die Götter sind tot, und der Urknall ist kompliziert, also fällt man am besten mit der Tür ins Haus und riskiert, dass aufgeweckte Kinder lästige Fragen stellen. "Zuerst kam die Welt", heißt es lapidar. "Und die Welt rief. / Und die Welt sagte JA! / So begann alles." Der Ton ist feierlich, imitiert den Duktus der alten Schöpfungsepen. Um das Einprägsame solcher Verse wissend, müssen Mama oder Papa schon hier entscheiden, ob sie die Vorstellung eines Universums weitergeben möchten, in dem vor einer mit sich selbst redenden "Welt" nichts war, nicht einmal ein Nichts. Geht das in Ordnung, dürfen sie darüber grübeln, warum das JA, das doch wohl Optimismus vermitteln soll, in den Bildern von so viel Pechschwarz begleitet wird und warum die grellfarbigen Wesen, die diese Finsternis bevölkern, sämtlich bizarr bis gruselig aussehen.

Jedenfalls geht es nun mit Riesenschritten weiter, kosmologisch und evolutionstechnisch etwas abenteuerlich, aber originell: "Einst waren wir alle Fische." Ob das "wir", das sich durch die ganze Hierarchie der Tierklassen zieht, Ausdruck einer Wiedergeburtslehre oder eines anthropozentrischen Weltbilds ist, bleibt offen. Das Gewicht der Erzählung liegt aber eindeutig auf den Machenschaften des Menschen, seiner Karriere vom Höhlenbewohner zum Klimazerstörer. Die Schilderung der Zwischenstufen würde Historiker schmunzeln lassen, aber es ist schließlich ein Bilderbuch, empfohlen ab fünf Jahren, das mutig die Balance zwischen Unter- und Überforderung sucht. Alles sei "noch nicht fertig", behauptet litaneiartig der Refrain, doch am Ende hat der Mensch die Welt ziemlich fertiggemacht. Trotzdem sagt sie zu seinen nächsten Ideen schon wieder "JA!". Vielleicht muss man Norweger sein, um solche Zuversicht zu teilen.

Kaia Dahle Nyhus : Die Welt sagte Ja. Aus dem Norwegischen von Carsten Wilms. Kullerkupp Kinderbuch Verlag, Berlin 2019. 40 Seiten, 17,90 Euro.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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