Bilderbuch:Abenteuer Südpol

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An Bord des Dampfers Yelcho kehrten Shackelton und seine Mannschaft zurück in die Zivilisation. Illustration aus William Grill: Shackletons Reise. (Foto: Verlag)

William Grill malt "Shackletons Reise" in beeindruckenden Bildern, die diese Reise sehr spannend und künstlerisch dokumentieren.

Von Harald Eggebrecht

Ein Wenigfarben-Buch, in großen Teilen herrschen Weiß und Blau vor. Kein Wunder, es geht um eine Südpol-Expedition, eine der spektakulärsten überhaupt, weil sich in ihr Mut bis zur Tollkühnheit, Leidenschaft, Führungsqualität gerade im Scheitern und zum Schluss glückliche Rettung wundersam mischen. Es ist das große Abenteuer des Ernest Shackleton, der 1874 in Irland geboren wurde. Insgesamt hat er an vier Antarktis-Expeditionen teilgenommen, drei davon leitete er, auf der letzten starb er 1922 in Südgeorgien und wurde dort auch bestattet. Die wichtigste wurde jene, die er 1914 bis 1917 mit der Endurance unternahm, und sie ist Thema dieses ebenso nüchtern wie witzig und geistreich mit Buntstiften gezeichneten Bilderbuchs des jungen Engländers William Grill.

Grill, Jahrgang 1990, bekam dafür die Kate Greenaway Medal. Angeregt wurde er durch die längst berühmten Fotos von Frank Hurley, der die Expedition als Dokumentarist begleitete. Er hat auch grandiose Filmaufnahmen hinterlassen. Grill konzentriert sich nicht so sehr nur auf die wahrhaft dramatischen Zuspitzungen, sondern stellt die Expedition zeichnerisch akribisch vor, von der Mannschaft über die Hunde, das Schiff und alle Utensilien zum Überleben in der Antarktis. So vorbereitet, beginnt die Unternehmung, bei der Shackleton die Antarktis als erster durchqueren wollte. Doch die Endurance wird vom Packeis gepackt und zerdrückt. Aus der Südpoldurchquerung wird reiner Überlebenskampf. Grill bleibt im Text wie in seinen Zeichnungen völlig unheroisch, er berichtet "nur" von den unerhörten Leistungen dieser Männer, die das Glück hatten, einen einzigartigen "Boss" zu haben, wie sie Shackleton nannten. Grill wechselt von gewaltigen Totalen, welche die Verlorenheit und tatsächliche Ausweglosigkeit der Männer im Eis, im Sturm und auf dem Ozean in aller Deutlichkeit zeigen, zu erzählerischen kleinteiligen Bildfolgen. Da strichelt er die Aktivitäten der Mannschaft hin bis zum folgenschweren Entschluss Shackletons, sich aufzumachen aus dem tödlichen Eis. Auch wie der "Boss" im Boot James Caird über das gefährliche Meer südlich von Kap Hoorn fährt und ihm der mörderische Fußmarsch zur Walfangstation gelingt, zeichnet Grill mit jener Aufmerksamkeit, die das Geschehen bei aller Dramatik nie ins Heldische verklärt. Gerade deshalb fesselt diese Geschichte einer unmöglichen und dann doch gelingenden Rettung - Shackleton kann schließlich alle zurück in die bewohnte Welt bringen - weil Grill ihr so sachlich wie präzise nachspürt.

Die Sparsamkeit seiner Farbgebung, der nie verdeckte Buntstiftstrich machen das Buch bunter und aufregender als jede süffigere Darstellung. Natürlich gibt es Bilder, die haften: Der mächtige Ernest Shackleton auf ganzer Seite, das Register der Schlittenhunde, die Vollmondnacht über den Gebirgszacken beim Gewaltfußmarsch der drei verzweifelten Männer. Aber auch die Geschäftigkeiten der Mannschaft zu Wasser, auf dem Eis und schließlich an Land setzt Grill überzeugend weil knapp ins Bild.

William Gril l: Shackletons Reise. Aus dem Englischen von Harald Stadler. NordSüd 2015. 74 Seiten, 19,99 Euro.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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