Bildband:Tara Bogart

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In Paris sah die US-Amerikanerin ein Foto von 1856, von Felix Nadar, eine Rückenansicht. Das brachte sie auf die Idee einer großartigen Serie.

Von Bernd Graff

Tara Bogart ist Fotografin aus Wisconsin. Dort unterrichtet sie an der University of Milwaukee. Sonst lebt sie in Paris. Im Jahr 2011 sah sie dort in der Bibliothèque Nationale die Fotografie "Hair Study" von Felix Nadar aus dem Jahr 1856. Es zeigt die von hinten aufgenommene Schauspielerin Marie Laurent in einem elegant drapierten Schal, deren Haar mit einem Kamm so hochgesteckt ist, dass er mit dem Faltenwurf des Schals zu korrespondieren scheint. Zu sehen sind ihr Nacken und die nackten Schultern. Bogart war davon fasziniert und machte sich sofort an die Arbeit zu ihrem Projekt "Modern Hair Study", einer Serie von Rückenporträts junger Frauen, die jetzt in einem Bildband erschienen sind (Kehrer Verlag, Heidelberg 2017, 120 Seiten mit 79 Farb-Abb., 35,00 Euro). Bogarts Fotos stellen Nadar nicht nach. Ihre in natürlichem Licht aufgenommenen Rückenakte sind ganz gegenwärtig, obwohl ihre Bilder die Oval-Form des Originals übernommen haben. Sie erfassen den Kopf und hören unter den Schulterblättern auf. Bogart zeigt junge Frauen-Körper mit Rücken-Tattoos, bunten Haaren, wilden Frisurtürmen und manchmal mit eindrucksvollem Schmuck. Menschen, gleichzeitig unverkennbar und anonym, offen und abgewandt. Abgesehen von dem Verweis auf das Nadar-Foto verzichtet Bogart bei ihren Porträts auf eine Inszenierung der Models: Sie nimmt nur auf, was ihr angeboten wird. Das unterscheidet sie etwa von der Chicagoer Fotografin Jeanne Dunning, die während der Neunzigerjahre eine "Head Series" mit stark verfremdeten Frauenköpfen vorgelegt hat. Bogart hingegen hat ausdrucksstarke Individuen abgebildet, die ihre Persönlichkeiten akzentuieren und erkennbar Selbstbewusstsein artikulieren, obwohl wir sie nur von hinten sehen. Die Fotografin erklärt, dass sie das Äußere der Modelle nie verändert habe, im Gegenteil: Sie wollte jede Frau immer an dem Tag fotografieren, an dem diese spontan in das Shooting eingewilligt hatte. Nur einmal, sagt Bogart, habe eine am nächsten Tag fotografiert werden wollen - und erschien prompt mit umgefärbten Haaren.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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