Bildband:Starke Charaktere

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Mat Hennek ist ein deutscher Fotograf, Jahrgang 1969, der sich auf Künstler-Porträts spezialisiert hat, nun aber wendet er sich Bäumen zu und Wäldern.

Von Bernd Graff

Mat Hennek ist ein deutscher Fotograf, Jahrgang 1969, der sich auf Künstler-Porträts spezialisiert hat, Musiker vor allem. Jetzt hat er Porträts angefertigt, die leise sind, völlig ohne Menschen auskommen - und doch sind sie nicht still, und auch sie dokumentieren starke Charaktere. Hennek hat Wälder aufgenommen. In den USA und in Europa. Diese Fotos dokumentieren lebendige Landschaften, in denen man den Baum vor lauter Wäldern nicht sieht. ( Mat Hennek: Woodlands. Steidl Verlag,Göttingen 2017. 66 Seiten, 28 Abb., 65 Euro.)

Denn Mat Hennek hat sich immer tief hineinbegeben in die Holzlandschaften, Spuren von Zivilisation, Wege gar, sucht man auf seinen Fotos vergebens. Im Gegenteil, das Spiel von Licht und Schatten, von Horizontaler und Vertikaler, die gewachsenen Muster und Strukturen, die seine Fotos dokumentieren, nehmen dem Wald alles Bekannte, ja, anscheinend sogar alle Zeit. Unser Bild zeigt eine deutsche Kliffküste im Jahr 2015, könnte aber auch zur Steinzeit gewesen sein. Denn oftmals erkennt man nicht einmal, zu welcher Jahreszeit ein Bild entstanden ist, nicht einmal, welches Wetter zur Zeit der Aufnahme herrschte. Dafür ist man gleichzeitig ganz nah am Wald, der Blick auf einen Horizont dahinter oder in den Himmel darüber wird nicht zugelassen.

Der Blick in den Himmel wird nicht zugelassen

Die Deutschen haben seit je ein ambivalentes Verhältnis zum Wald, einerseits ist er eine mythische Passagenwelt, die gefährlich ist und kaum zu durchdringen: Man denke nur an die Märchen Grimms, das Rotkäppchen, dem der Wolf begegnet, Schneewittchen, die verstoßen im bedrohlichen Wald landet. Andererseits ist er auch ein Sehnsuchtsort, das letzte Reservoir von ungebändigter Natur in der Romantik. "Rettet den Wald" lautete Ende der Siebzigerjahre ein Bestseller des Journalisten Horst Stern, in dem "der" Wald als letztes, gefährdetes "Großsystem aus natürlichen Funktionsabläufen" beschrieben wurde, das die Deutschen nicht würden retten können, "indem sie ,Oh Tannenbaum' singen." Zur Holzfabrik, zum Funktionswald sei "der" Wald verkommen, den eine naturferne Industriegesellschaft nicht einmal dort noch als Natursystem begreife, wo es intakt ist.

Das waren harte, bald apokalyptische Worte damals. Und dann fiel in den Achtzigerjahren angeblich auf den misshandelten, geschändeten, degenerierten Wald auch noch der saure Regen, der "den" Wald in Angst und Schrecken versetze. Das Wort "Angsttrieb", das es tatsächlich in der Forstfachsprache gibt, lernten die Tschernobylkinder damals schon in den Kindertagesstätten. Mat Hennek Waldporträts sind wohltuende Bildbeweise dafür, dass der Wald eine Eigenleben führen kann und uns wohl auch darum immer fremd geblieben ist.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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